Louisa, 22

Ich bin trotzdem schön, auch mit Glatze

Ich bin Louisa. Ich habe Alopecia Areata. Das ist kreisrunder Haarausfall. Es ist eine Autoimmunkrankheit, bei der der Körper alle Haare abstösst und diese ausfallen.

Vor rund einem Jahr habe ich gemerkt, dass mehr Haare als sonst am Boden lagen. Aber viel dabei gedacht habe ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht. Einen Monat später habe ich dann die erste kahle Stelle oberhalb des linken Ohres entdeckt. Nun kam die Angst in mir hervor, was das genau ist. Zusätzlich war es mir unangenehm, dass es für andere sichtbar war. Gleich habe ich meinen Arzt angerufen und alles hat begonnen. Es ging so schnell, dass ich innert sechs Wochen fast alle Haare verloren hatte. Meine schönen Haare waren immer etwas Besonderes für mich. Ich liebte es, neue Haarschnitte und Farben zu tragen. Zusätzlich waren sie auch eine Art Schutz für mich. Und auf einmal war dieser Schutz nicht mehr intakt. Mein bis dahin aufgebautes Selbstbewusstsein verschwand mit jedem ausfallenden Haar. Es ging auch gleich weiter: mit den Augenbrauen und den Wimpern. Das veränderte das Gesicht noch mehr. Ich konnte mich fast nicht mehr im Spiegelbild erkennen. Das war einfach nicht mehr ich. Kurz darauf sind auch meine Arm- und Beinhaare ausgefallen. Es verging nicht ein Tag, an dem ich nicht geheult und mir meine Haare zurückgewünscht habe. Ich bin zu dieser Zeit in ein emotionales Loch gefallen. Aber auch für mein Umfeld war es eine schwere Situation. Keiner kannte diese Krankheit und alle waren mit der Situation überfordert. Am Anfang war es der Horror, die Perücken anzuprobieren. Man sieht sich einfach nicht selbst im Spiegelbild.

Nach dem emotionalen Fall blieben mir nur zwei Optionen übrig. Entweder ich versaure im Selbstmitleid oder aber ich überwinde diese schlimme Phase und sehe die positiven Dinge. Das sagt sich leicht und bei mir hat es seine Zeit gedauert. Die Dinge positiv zu sehen, war für mich definitiv der richtige Weg. Wenn ich nur das Schlechte gesehen hätte, wäre ich nicht mehr glücklich geworden. Haarausfall bringt auch vorteilhafte Aspekte mit. Wie praktisch es doch ist, wenn man sich die Beine nicht mehr rasieren muss. Wie viel Zeit man frühmorgens im Bad beim Styling sparen kann, wie pflegeleicht eine Glatze doch sein kann und auch wesentlich günstiger, da sich Termine zum Haareschneiden einfach erübrigen.

Heute mag ich es, mit Perücken zu spielen. Je nach Tagessituation mal lang, mal kurz, mal dunkel, mal hell. Auch bunte Tücher trage ich gerne als Kopfbedeckung und manchmal zeige ich auch einfach meinen nackten Kopf. Früher fragte ich mich vor dem Spiegel: Welche Schuhe trage ich zum Kleid? Heute heisst es eher: Welche Perücke oder Kopfbedeckung ziehe ich zum Kleid an? Alopecia ist nun ein Teil meiner Identität, gehört zu mir und ich versuche, bestmöglich damit umzugehen. Hätte mir jemand zu Beginn des Haarverlustes gesagt, dass ich meinen Alltag irgendwann mal ohne Perücke bewerkstellige, dem hätte ich es nicht geglaubt. Ein ganz wichtiger und wesentlicher Punkt für meine Akzeptanz und den Wiederaufbau meines Selbstwertgefühls war die Zeit. Dies mag simpel klingen, aber mit der Zeit und durch die Unterstützung meiner Familie und Freunden habe ich gelernt, damit umzugehen und mich so zu lieben, wie ich heute bin. Dies hilft, mit sich selbst und seiner Alopecia «normal» umzugehen. Heute ist es mir umso wichtiger, die Kleinigkeiten im Leben zu geniessen. Eine Krankheit kann so schnell kommen und das Leben komplett auf den Kopf stellen. Deshalb sollte wirklich jeder Tag und das ganze Leben genossen werden.