I Canapai – Die Tessiner Hanfjahre

Zwischen 1997 und 2003 entwickelte sich das Tessin zum Hanf-Paradies der Schweiz. Aufgrund einer Gesetzeslücke konnten sogenannte Canapai-Läden THC-haltige Hanfprodukte als vermeintliche Duftsäckchen verkaufen. Weil die Behörden lange Zeit nicht eingriffen, florierte der Handel und so wurde Lugano zeitweise zum «kleinen Amsterdam» der Schweiz.
Ende der 1990er-Jahre nutzten findige Köpfe im Tessin eine Gesetzeslücke: Cannabis mit hohem THC-Gehalt durfte verkauft werden – vorausgesetzt, es wurde nicht als Rauschmittel verwendet. So etikettierte man es simpel als «Aromaprodukt» oder «Duftkissen». Die Kundschaft wusste allerdings genau, worum es wirklich ging, und auch die Behörden tolerierten das Geschäft grösstenteils.
Der Handel blühte. Überall im Kanton schossen sogenannte Canapai aus dem Boden – Läden, die ihre Produkte offen anboten, Steuern zahlten und teilweise sogar Arbeitslose über staatliche Programme einstellten. Diese zogen nicht nur Schweizer Kundschaft an, sondern auch Konsument:innen aus dem benachbarten Italien.
Doch das goldgrüne Zeitalter endete abrupt: Am 13. März 2003 schlugen die Behörden im Rahmen der gross angelegten Polizeiaktion «Indoor» zu. Über 70 Canapai wurden geschlossen, rund 130 Personen festgenommen und mehr als 4200 Kilogramm getrockneter Hanf sichergestellt – mit einem geschätzten Marktwert von 80 Millionen Franken. Die Gesetzeslücke wurde per Revision geschlossen, und der legale Cannabishandel im Tessin kam schlagartig zum Erliegen.
Was vom Rausch bleibt, ist die Erinnerung an eine einmalige Episode der Schweizer Drogenpolitik – und die offene Frage, ob eine regulierte Legalisierung nicht längst überfällig wäre.
(abb)
Die Vorproduktion – Von der Idee zum Konzept
Die Idee entstand während meines Zivildiensteinsatzes in Mendrisio. Dort hörte ich (Lukas) erstmals, dass es eine Zeit gab, in der Cannabis legal in Tessiner Läden verkauft wurde. Damals hielt ich das aber nur für ein Gerücht.
Als ich im Modul Konvergentes Produzieren ein eigenes Projekt realisieren sollte, erinnerte ich mich an dieses Thema und begann nachzuforschen. Dabei stellte sich heraus, dass es schwierig war, fundierte Informationen zu finden. Dank der Videoarchivstation in der Zentralbibliothek Zürich erhielt ich Zugang zum RSI-Archiv und durfte das zeithistorische Material in meinem Projekt verwenden. Auch der Corriere del Ticino stellte mir sein Zeitungsarchiv zur Verfügung, aus dem ich wertvolle Artikel entnehmen konnte. SRF und RTS erlaubten mir zudem, kurze Ausschnitte aus der Tagesschau zu nutzen, die schliesslich im Teaser Anwendung fanden.
Die Suche nach geeigneten Personen für das Interview gestaltete sich als sehr herausfordernd, da viele frühere Hanfladen-Betreibende ausgewandert waren. Mithilfe von Olmo Cerri, dem Verfasser eines Podcasts zum selbigen Thema, konnte ich jedoch zwei geeignete Personen ausfindig machen. In Lola und Sabrina hatte ich zwei echte Zeitzeuginnen gefunden, die mit ihrer offenen und sympathischen Art massgebend zur Authentizität des Films beigetragen haben. Auch Marco Zambetti, Regionalleiter der Kantonspolizei Tessin, erklärte sich netterweise bereit, zum Thema Stellung zu nehmen und die Sichtweise der Polizei wiederzugeben. Nachdem das Konzept und der Drehplan ausgearbeitet waren, vereinbarte ich Drehtermine mit den Teilnehmenden. Die Produktion konnte beginnen.
Die Produktion – Interviews im Tessin
Die Dreharbeiten fanden an zwei verschiedenen Tagen im Tessin statt. Dafür fuhren Suena und ich mit dem ganzen Equipment im Kofferraum ins Tessin. Auf dem Set war Suena für die Kamera und den Ton verantwortlich, ich übernahm das Führen der Interviews. Insgesamt verliefen die Dreharbeiten reibungslos, da wir beide bereits über Dreherfahrung verfügten – auch wenn wir leider vergessen hatten, professionelle Kopfhörer mitzunehmen. Das erschwerte die Tonkontrolle etwas, was aber glücklicherweise ohne grössere Folgen blieb.
Die Nachproduktion – Schnitt und Ton
Die Postproduktion war für mich eine spannende Herausforderung. Zum ersten Mal arbeitete ich mit sechs parallelen Videospuren (drei Interviewperspektiven, Archivmaterial, FX-Spur, Lower thirds) und vier Tonspuren (O-Ton, Voiceover, Musik und Geräusche). Nach dem Synchronisieren aller Spuren hatte ich viele gestalterische Freiheiten, was der Dynamik des Films zugute kam. Was mich dabei jedoch eingeschränkt hat, war die Bildschirmgrösse meines Laptops. Künftig würde ich den Schnitt eher in einem Studio mit grösseren Monitoren umsetzen. Für die Vertonung konnte ich auf die Unterstützung von Pascal, Nadia und Suena zählen – sie haben die Stimmen gekonnt ins Deutsche umgesetzt. Auch das Abmischen war für mich neu, aber am Ende funktionierte es gut. Nach der Freigabe durch RSI, die Interviewten und die Tessiner Kantonspolizei konnten wir das Projekt abschliessen und veröffentlichen.
Learnings – Lessons learned
In diesem Projekt konnte ich sehr viel dazulernen. Es ist bisher meine grösste und aufwendigste Produktion. Beim nächsten Interviewdreh werde ich sicher die hochwertigen Kopfhörer mitnehmen, um sicherzugehen, dass der Ton auch den höchsten Qualitätsstandards entspricht. Im Doppelinterview würde ich nicht mehr beide Personen einzeln mit einem Kavalier verkabeln, sondern mit einer Tonangel, um Hallgeräusche zu verhindern, die dann entstanden, wenn ich beide Mikrofone gleichzeitig im Schnitt verwenden wollte. Eine weitere Erkenntnis ist, dass ich das nächste Mal auf allen Kameras das gleiche Farbprofil einstelle. Wir hatten auf allen das Standardprofil, aber es waren verschiedene Kameramodelle. Das nächste Mal würde ich ein Farbprofil vordefinieren oder direkt mit S-Log filmen. Zudem wurde in den letzten Einstellungen eine Aufnahme leider unscharf, weil der Autofokus nicht mehr richtig eingestellt war, dies konnte ich aber dank den anderen Perspektiven ziemlich gut kaschieren. Im grossen Ganzen bin ich mit dem Projekt sehr zufrieden. Es entspricht dem – oder übertrifft sogar, was ich als Endprodukt erwartet habe. Dies ist nur möglich geworden durch alle, die am Projekt mitgewirkt haben.
Herzlichen Dank an dieser Stelle nochmals an Suena für die Unterstützung auf dem Dreh und in der Vertonung, an Pascal für die Vertonung, an Nadia für die Vertonung, sowie an Marco, Lola und Sabrina für die aufgebrachte Zeit für die Interviews. RSI und Corriere del Ticino danke ich für die Gewährung der kostenlosen Verwendung des Archivmaterials und ich bedanke mich auch bei allen Unerwähnten, die dieses Projekt ermöglicht haben.