Von Bären, Bergahorn und Heraldik

Heraldik, auch Wappenkunde genannt, ist die Lehre von den Wappen und ihrem richtigen Gebrauch.

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Tönt langweilig… ist es aber nicht! In der Heraldik geht es nämlich nicht nur um trockene Theorie, sondern darum, Wappen nach traditionellen heraldischen Regeln zu gestalten. Und diese Regeln gehen bis auf das 12. Jahrhundert zurück. Aber was, wenn ein Ort kein Wappen hat? Ganz einfach, dann muss natürlich schnellstmöglich im Rahmen eines Digezzprojekts eines her!

Doch ganz so schnell ging es das dann doch nicht. 🙂 Bei den heraldischen Regeln gibt es nämlich einiges zu beachten und zu verstehen. Ich habe euch die wichtigsten Regeln zusammengefasst:

  1. Zur Farbgebung | In der Heraldik gibt es sechs Farben – zwei Metalle (Gold und Silber) und vier übrige Farben (Rot, Blau, Grün und Schwarz). Grundsätzlich gilt: Es darf nie Farbe auf Farbe oder Metall auf Metall liegen!
     
  2. Zu Grössenverhältnissen | Figuren sollten das Wappen so gut wie möglich ausfüllen, damit überflüssige Leerräume vermieden werden können. Die natürlichen Grössenverhältnisse müssen nicht eingehalten werden.
     
  3. Zu Stilisierung | Figuren im Wappen werden stilisiert. Durch Vereinfachung und Übertreibung sind sie auch aus der Distanz gut erkennbar.
     
  4. Zu Erkennbarkeit | Um die Erkennbarkeit zu gewährleisten, sollten keine komplexen Gegenstände, sondern nur deren charakteristische Einzelteile dargestellt werden.
     
  5. Zu Perspektiven | Perspektiven gibt es in der Heraldik nicht! Hier wird ausschliesslich zweidimensional gestaltet.
     
  6. Zu Schriftzeichen | Auch Buchstaben und Zahlen werden nicht eingesetzt. Die Heraldik entstand nämlich zu einer Zeit, in der die Kenntnisse des Lesens nicht verbreitet waren.

Und so könnte es dann ungefähr aussehen, wenn ein Wappen entsteht:

Darf ich vorstellen, das neue Wappen der Gornere!

(ash)

Projektmotivation
Seit meiner Kindheit ist die Gornere ein Ort vom Erleben, Entdecken und Freisein für mich. Ich habe dort fast jedes freie Wochenende bei meinem Vater in den Bergen verbracht. Erst vor kurzem hat er mir erzählt, wie gerne er eine Gorneren-Flagge bei sich vor dem Haus hängen hätte. Das einzige Problem – die Gornere hat bisher kein Wappen…

Und so war die Idee und das Feuer für dieses Projekt geweckt!

Projektablauf
Mein Vater und ich besichtigen erst einmal alle Orte, die als Sujets für die Fahne in Frage kämen. Den Bärenpfad, den alte Bergahorn, die Hexenschlucht, das Golderli, die Alpakas und die Blüemlisalp. Schon während den Besichtigungen sprudelten wir vor Ideen – wir verbinden beide viele Emotionen mit diesem Ort und das Projekt war uns deswegen beiden von Anfang an sehr nah.

Wieder zu Hause, ging es dann mit ersten Skizzen und einer Selektion der Sujets los. Schnell kam mir die Idee, dass sich entweder die Bergspitze oder aber der Bergahorn toll eignen könnte, um die Aufteilung auf dem Wappen zu machen (siehe Sketches oben). Damit pröbelte ich dann einige Zeit rum und kam schlussendlich mit zwei Vorschlägen zu meinem Vater.

In den folgenden Wochen kam dann die eigentliche Umsetzung zum Zug. Ich probierte vieles aus, schob Elemente herum, färbte neu ein und fing wieder von vorne an. Schlussendlich stand eine erste richtige Version, mit der wir beide sehr zufrieden waren. Nach einer Besprechung arbeiteten wir mehrere Punkte heraus, die noch nicht optimal waren. Unter anderem hatte der Bär etwas «lustiges» bzw schräges an sich, was überhaupt nicht zu der traurigen Sage vom Bärenpfad passte. Der alte Bergahorn, der dargestellt wurde, sah zu jung und zerbrechlich auch – er sollte mehr mit Begriffen wie alt, bodenständig und kräftig in Verbindung gebracht werden. Und die Blüemlisalp war in ihrer Form noch nicht als solche erkennbar – es mussten also noch etwas mehr Details her.

Nach einem weiteren Feinschliff spielten wir nochmals etwas mit den Farben, bis dann schlussendlich das finale Gorneren-Wappen vor uns lag!

Herausforderungen und Learnings
Die grösste Herausforderung im Projekt war für mich das Zusammenkommen von klaren Vorstellungen und dem Anwenden der Heraldik. Sowohl meinem Vater wie auch mir lag viel an diesem Projekt – für ihn ist es ein Zuhause, für mich ein Ort, an dem ich das Leben entdeckt habe. Dadurch hatten wir beide sehr schnell ein sehr klares Bild im Kopf, wie für uns das perfekte Wappen aussehen sollte. Diese Vorstellungen stimmten einerseits nicht ganz überein, andererseits waren sie ganz und gar nicht mit den Regeln der Heraldik kompatibel 🙂

Meine Strategie, diesem Problem entgegenzuwirken, war schlussendlich, in möglichst viele kleine Anpassungsrunden zu gehen, anstatt einmal eine grosse Überarbeitung zu machen. So konnten wir uns langsam an ein Bild herantasten, das sowohl mir und meinem Vater entsprach, wie auch der Heraldik mehr oder weniger gerecht wurde.

Ausserdem ging ich im Bereich Heraldik schlussendlich einige Kompromisse ein. Es ging mir im Endeffekt weniger darum, das ganz perfekte Wappen zu entwickeln und mehr darum, eine coole Fahne zu gestalten, um vor dem Haus aufzuhängen. Somit habe ich die Farben teilweise in ihren Tönen etwas angepasst und etwas mehr Details hinzugefügt, als die Heraldik es empfehlen würde.

Beim Format stellte ich mir Anfangs eine altmodische Wappenform wie in den Skizzen dar – schlussendlich musste ich mich aber gegen diese Form entscheiden, da dies für den Druck auf eine Fahne keinen Sinn gemacht hätte.

Learnings
Mein erstes Learning aus diesem Projekt ist, dass Kompromisse wichtig sind und das auch genau dadurch dann ein tolles Endprodukt entstehen kann. Es war eine gute Erfahrung, ein Mittelmass zu finden zwischen den Vorstellungen meines Vaters, meinen eigenen Vorstellungen und den Vorgaben der Heraldik.

Und mein zweites Learning ist einmal mehr: Regelmässige Absprache ist Gold wert. Dank dem ich nach jeder kleinen Anpassung mit meinem Vater zusammengesessen bin (teilweise live und teilweise per Telefon) konnten wir immer gleich aufdecken, wenn wir andere Bilder oder Vorstellungen im Kopf hatten und konnten gemeinsam einen Kompromiss finden.

So ist eine sehr coole Fahne entstanden!