Produce it yourself – Whiteprint

Dinge selber herstellen hat viele Vorteile. Ich habe einen Sommer investiert und aus Versehen eine Firma erfunden.

Ich persönlich glaube, dass erfolgreiche Medien nicht nur die klassischen Formate einnehmen. Oft fällt mir auf, wie Firmen bei ihrem Online-Auftritt oder bei ihrem Flyer kreativ sind, und dann verschenken sie zu Weihnachten eine zwar schweineteuren, aber sehr unpersönlichen Stift. Ich frage mich dann jedes Mal, ob dem Geschäft nicht mehr geholfen wäre, wenn das Geschenk viel billiger, dafür aber sehr persönlich ist und eine Botschaft vermittelt.

Die Idee: Mal nicht Online, nicht auf Papier

Ein anderes Beispiel, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht, ist es, Dinge anders darzustellen als mit einer Zahl auf einem Bildschirm. Ein Beispiel? Die Klimaerwärmung wird voraussichtlich bis 2050 das Meer an manchen Stellen um bis zu 5 Grad Celsius erhitzen. Fünf Grad auf einem Bildschirm – das klingt nach nichts und bleibt den meisten nicht lange im Kopf. Wenn man eine warme Platte unter dem Bildschirm montiert, die sich von 36 Grad per Knopfdruck auf 41 Grad erhitzt, dann spürt man den Unterschied nicht nur deutlich, sondern es «brennt sich richtig ein» – da die Botschaft mit einem Erlebnis kombiniert wurde.

Das Problem dabei ist, dass solche Entwicklungen oft sehr teuer oder gar nicht bezahlbar sind, da sich niemand finden lässt, der es umsetzen kann. Also bleibt nur noch die Möglichkeit, es selber zu machen. Aber was braucht es, um selbst ein Produkt herzustellen? Wie schwer ist es, kleine Stückzahlen für zum Beispiel alle Mitarbeiter eines KMUS oder für den Schulunterricht herzustellen?

Mit diesen Fragen im Kopf bin ich in den Sommer gestartet auf der Suche nach Wegen, wie man einfache Produkte selber herstellen kann.

Vorgehen

Viele der Produkte und Lösungen, die ich im Kopf habe, brauchen eine feste Form. Da ich mit Holz nicht sehr begabt bin und Karton sich für viele Lösungen nicht eignet, habe ich nachgeschaut, welche Lösungen Produktdesigner anwenden. Dies sind:

  • Papier-Model
  • Karton-Model
  • Styropor-Model
  • Gips-Model
  • Holz-Model
  • 3D-Druck-Model

Ich habe mir lange überlegt, welche Wege ich verfolgen möchte und habe mich am Schluss für zwei entschieden, nämlich:

  • Gussverfahren
  • 3D-Druck

Mit der (theoretischen) Möglichkeit, Hüllen und Halterungen von Produkten herzustellen, kam die Frage auf, ob diese auch Elektronik enthalten. Ich bin weder ein grosser Programmierer, noch ein guter Elektrotechniker, also habe ich nach einer Umgebung gesucht, in der so viele Tutorials und Anleitungen wie möglich existieren. Ich habe schnell gelernt, dass es am einfachsten ist, ein sogenanntes Maker-Board als Basis für ein Projekt zu nehmen. Meine Kriterien dabei waren:

  • vielseitig in der Verwendung
  • klein zum Einbauen
  • billig (da ich viele verschiedene Projekte testen möchte)
  • einfach zu programmieren

Ich habe mich für das Raspberry Pi PICO entschieden, da es sehr dünn, leicht und nur vier Franken teuer ist. Hinzu kam, dass ich damit schon Erfahrung habe. Braucht es mehr Power, kann ich auf ein richtiges Raspberry Pi zurückgreifen, welches sehr ähnliche Input/Output-Möglichkeiten hat.

Mein Startbudget waren 500 Franken. Meine Idee war es, auch fertige Dinge zu verkaufen, um dieses Budget zu erweitern.

Was ich dabei gelernt habe, welche Dinge entstanden sind und was ich noch alles machen möchte, findet ihr in diesem Beitrag.

3D-Druck

Viele Leute haben vor 10 Jahren einen Riesen-Hype um 3D-Drucker gemacht. In ihrer Vorstellung malten sie es sich aus, wie bald jeder Haushalt so eine Maschine zu Hause hat und Produkte nicht mehr im Geschäft kauft, sondern einfach ausdruckt. Als das nicht geschah, ging es nicht lange, bis dieselben Journalisten Artikel schrieben, deren Titel in etwa so lauteten: «3D-Druck nur für Unikate» oder «Keine industrielle Revolution».

Dies war der damals recht jungen 3D-Druck Community und den Start-Ups jedoch reichlich egal und je mehr sie in Vergessenheit gerieten, desto fleissiger haben sie die Technologie vorangetrieben.

Wie ich gelernt habe, gibt es Drucker in allen Preiskategorien. Ich habe mich für den Ender3 V2 entschieden, da er sehr preiswert schien und eine grosse Community hat.

Das hier wird keine Anleitung zum Gebrauch von 3D-Druckern und auch keine Kaufempfehlung. Ich mag meinen Ender3 V2, weil er genau meinen Anforderungen und meinem Budget entspricht, aber das muss nicht für jeden gelten.

Ich sehe den 3D Drucker nach zweimonatigem Gebrauch wie eine Nähmaschine für die Generation 2000. Jeder kann ein einfaches Modell ausdrucken. Aber so wie es Übung braucht, eine Jacke zu nähen, ist es nicht immer einfach, dass der 3D-Druck gelingt. Ich habe inzwischen eine Box voller misslungener Prints. Dafür sind aber viele auch wunderbar geglückt.

Die Modelle habe ich am Anfang von Thingiverse heruntergeladen. Auf dieser Platform hat es eine Unzahl an Modellen und eine sehr hilfsbereite Community. Das hat mir einiges über den 3D-Druck gelehrt und auch meinen ersten Auftrag eingebracht:

Eine Hüfte für eine Hebamme

Völlig enthusiastisch, dass jetzt ein 3D-Drucker in meinem Regal steht, habe ich allen davon erzählt. Eine Freundin von mir meinte aus Spass: «Oh, ich könnte das Modell einer Hüfte gut gebrauchen.» Dazu muss gesagt werden, dass sie als Hebamme viel Aufklärungsarbeit macht und nach einem Weg sucht, um einfacher zu erklären, was bei der Geburt alles geschieht.

Also habe ich eine Hüfte gesucht und auf Thingiverse gefunden: 6-Piece Magnetic Female Pelvis Model

Ich habe meine kleinen Druckexperimente eingestellt und begonnen, die Einzelteile auszudrucken. Spätestens hier habe ich verstanden, wie viel Geduld ein 3D-Drucker benötigt. Der längste Druck dauerte über 23h. Das bedeutet, dass man am Anfang nach allen Einstellungen «Start» drückt und ab dann keinen Einfluss mehr darauf hat, wie das Resultat herauskommt.

Nach über 60 Druckstunden ist das Modell fertig. Es fehlen nur noch die Magnete, die ich bei Aliexpress bestellt habe. Nur leider sind die seit über einem Monat unterwegs. Aliexpress ist eine Geschichte für sich.

Der zweite Schritt

Ich habe den ersten Auftrag angenommen, da er genau dem entsprach, was ich mir vorgestellt habe. Ich wollte physisch erlebbare Produkte herstellen. Der nächste Schritt sollte sein, selber Produkte zu entwerfen.

Jeder fängt irgendwo an. Da mein Budget wie gesagt klar definiert und klein ist, habe ich als erste Übung damit begonnen, einen Adapter für meine Schraubzwinge zu drucken, weil ich keinen Schraubstock besitze. Ich hatte keine Möglichkeit, einen Stab oder ein Rohr zu fixieren. Mit dem Adapter gelang es mir trotzdem, einen Holzstab so zu bearbeiten, dass ich ihn als Ständer für das Skelettmodell verwenden kann.

Erstellt habe ich das Model in Fusion360. Das 3D-File habe ich natürlich auf Thingiverse veröffentlicht: Mein Adapter! mit Fotos und Anleitung.

Giessen statt kleckern

Wie stellt man von einem Produkt viele Kopien her? Ein 3D-Drucker ist zwar cool, aber es dauert zum Teil für ein Stück mehrere Tage und wenn man mehr als nur ein Endprodukt möchte, kann es schnell an die Grenzen des Machbaren stossen. Eine Alternative ist es, das Modell auszudrucken und als Positivmodell für eine Gussform zu verwenden. Mit dieser Gussform kann man viele Kopien in wenigen Stunden erstellen.

So zumindest meine Theorie. Ich habe also lebensmittelechtes, flüssiges Silikon bestellt. Meine Idee ist es, personalisierte Schokolade herzustellen. Ich wollte zum Beispiel alle Namen der Mitarbeiter einer Firma auf einer Schokoladentafel abbilden. Das erschien mir ein super persönliches Weihnachts-Geschenk. Begonnen habe ich mit dem Sketch auf Papier. Dann habe ich das Ganze digital nachgezeichnet und in ein 3D-Modell verwandelt. Diese habe ich dann schliesslich ausgedruckt.

Und hier ist alles eskaliert …

Eigentlich wollte ich einfach aus Spass einige neue Dinge herstellen, alte Dinge kopieren und meine Ausrüstung etwas erweitern. Eigentlich …

Star Wars

Aus einem Bauchgefühl wurde eine Idee. Die Idee, dass nicht einfach alles nur online sein kann! Etwas in Händen halten, sehen und fühlen, das kann eine Website niemals ersetzen. Das war einmal eine allgemein akzeptierte Wahrheit, aber in den letzen 20 Jahren scheinen mehr und mehr Leute dies zu vergessen. Eine coole Website ist etwas wundervolles, keine Frage. Das Problem ist, dass sie nur den Kopf beschäftigt. Es gibt (bis jetzt) keinen Weg, wie eine Website weitere Sinne ansprechen könnte. Diese Diskrepanz hat mich immer mehr beschäftigt. An der Fantasy Basel habe ich dann meine wagen Gefühle und Ideen zum ersten Mal umgesetzt gesehen.

Da stand ein Tie Figher!!!

Tie Figher Raumschiff aus Starwars

Naja, nicht ein echter. Um ehrlich zu sein, sah es nicht einmal ansatzweise real aus und war relativ billig gemacht. Rund um einen Kunststofftank wurden Holzpaneele moniert und grau angemalt, um es so aussehen zu lassen wie die Mittelsektion des relativ bekannten Raumschiffes. Im Innern wurde noch weniger Aufwand betrieben. Vor einem drehbaren Bürostuhl stand ein Pult mit einem PC darunter und einem Bildschirm darüber. Auf den Armlehnen des Stuhls wurden mit Heissleim zwei Joysticks geleimt. Auf dem PC lief ein drei Jahre altes, recht bekanntes Spacegame.

Nüchtern betrachtet, nichts wirklich Spezielles. Aber das sind viele Dinge, ohne Kontext!

Das Innenleben des nachgebauten Tie Fighters.

Ich bin kein besonders grosser Star-Wars-Fan. Ich habe keine Ahnung, wie ein Tie Fighter von Innen aussehen muss und ehrlich gesagt war es mir auch egal. Aber ich glaube, niemand kann in diese Kuppel reinklettern, rückwärts, weil man nirgendwo auftreten darf, den Stuhl um 180° drehen und das Spiel starten, ohne zu bemerken, dass die Hülle aus Kunststoff und Holz einen Unterschied macht.

Ich spiele viele PC Spiele, habe ein VR-Headset und hunderte Stunden damit verbracht, aber ich habe mich schon lange nicht mehr so ins Geschehen hineingezogen gefühlt wie in diesem gebastelten Raumschiff mit einem ganz normalen PC vor mir! Irgendwie hat es sich ein ganz kleines bisschen echt angefühlt. Mit angezogenen Beinen und dem Donnern der Lautsprecher in der kleinen Box, mit den paar Lichtern im peripheren Sichtfeld und der hinter mir verschlossenen Tür hat es sich einfach echt angefühlt. Hundert mal echter als ein gutes VR-Erlebnis.

Etwa eine Woche danach war ich immer noch am Überlegen, warum wir alle, die gesamte Nachrichten- und Werbebranche, nicht viel mehr darauf setzen, Dinge ganzheitlich zu kommunizieren. Ich will Botschaften spüren! Ich will Ziele sehen können.

So entstand die Idee zu Whiteprint.

Das Logo ist eine Kombination aus einem Druckkopf, einer Gussform und dem Buchstaben W.

Whiteprint

Ich möchte dies ändern! Ich will, dass es mehr physische, erlebbare Produkte gibt. Ich will, dass Ausstellungen wieder Spass machen und dass man auch als Erwachsener nicht nur an einem Bildschirm der Realität für eine kurze Weile entfliehen kann. All diese Wünsche verbindet Whiteprint. Der Name kam mir, weil ich vor allem mit weissem PLA drucke und es einmal ein Kopierverfahren gab, das so hiess.

Inzwischen gibt es eine Webseite und ich suche nach ersten Kunden. Alle Projekte werde ich auf meiner Website im Blog dokumentieren. Was Whiteprint genau ist, welche Möglichkeiten es bietet und meine Kontaktinfos befinden sich auf der Website.

Hilf mir!

Ich bin um jede Rückmeldung froh! Kritik, Lob, Ideen, Visionen! Trage dazu bei, dass Whiteprint mehr werden kann als nur die flüchtige Idee eines Studenten!

(mou)

Naja man siehts ja: das ist etwas eskaliert!

Was klein hätte werden sollen, ist mehr und mehr zu einem Projekt geworden das mich inzwischen 24h/7 beschäftigt. Ich dachte nicht dass aus meinem 250CHF Drucker eine Geschäftsidee wird, aber hier bin ich jetzt. Ich habe letzte Woche meinem ersten Kunden einen Adapter geliefert (Das Teil das auf der Webseite so schön als Rendering zu sehen ist) und ich bin fleissig am Werbung machen.

Wahrscheinlich mein Hauptproblem ist, dass ich meistens keine Ahnung habe was ich eigentlich tue und es trotzdem gut kommt. Ich habe das ganze mit viel Optimismus angefangen. Jetzt bin ich sehr damit beschäftigt, herauszufinden wer potenzielle Kunden sein könnten.

Der nächste Schritt wäre eine eigene Werkstatt, zur Zeit ist alles in meinem Büro, mein 3D-Drucker bei mir im Schrank…

Ich hoffe, dass es vielleicht irgendwann im MMP den Minor «Physische Produkte» gibt. Den würde ich sofort besuchen!

Während mein 3D-Drucker schon das nächste Teil herstellt, Tippe ich diesen Satz hier Fertig und hoffe, dass ich Dich mit meiner Geschichte für Whiteprint.ch begeistern konnte.