Letters with Style

Wie eine eigene Tagging-Font entstanden ist – und was Graffiti mir über Ausdruck beigebracht hat.
Von Tags zu Type
Tagging ist oft verpönt. Viele sehen darin nur Vandalismus. Ich habe es als Ausdrucksform gesehen. Als ich angefangen habe, mich intensiver damit zu beschäftigen, wurde mir klar: Tags folgen ihren eigenen Regeln. Sie sind nicht schön im klassischen Sinn, aber sie haben Stil. Also habe ich angefangen, sie zu analysieren – und daraus eine eigene Font entwickelt.


Die Idee
Wie übersetzt man die Energie eines Tags in eine digitale Schrift? Ich habe mir hunderte Tags angeschaut, Buchstaben skizziert, Stile verglichen. Die Herausforderung: die Spontanität eines Sprühzugs in ein vektorisiertes Format zu bringen, ohne dass es steril wirkt. Meine Font ist keine Schönschrift. Es ist mehr eine Mischung aus Handwritten und Display und trotzdem soll sie anecken – wie ein echter Tag eben.
Hier findest du meine Fonts:
Streetart, nicht nur Style
Neben der Font war ich auch mit der Kamera unterwegs, habe Ecken dokumentiert, an denen sonst niemand oder nur wenige stehen bleiben. Einige dieser Bilder findest du unten. Streetart ist mehr als Deko. Sie sagt oft: Ich war hier. Ich bin da. Und das finde ich gerade in Zeiten von durchgefilterter Online-Identität irgendwie befreiend. (Alle Aufnahmen zeigen Graffiti auf dafür vorgesehenen, legalen Wänden.)









(vha)
Entstehung
Ich interessiere mich schon lange für urbane Ästhetik, Typografie und Streetart. Besonders das Tagging hat mich fasziniert. Es ist roh, schnell und extrem persönlich. Für mein Digezz-Projekt wollte ich diese Ausdrucksform besser verstehen und gestalterisch weiterentwickeln. So entstand die Idee, eine eigene Tagging-Font zu gestalten und sie mit einer kleinen Fotoreihe aus dem urbanen Raum zu kombinieren.
Umsetzung
Ich habe in verschiedenen Städten Tags dokumentiert und ihre Formen analysiert. Daraus entstand Schritt für Schritt eine digitale Schrift. Der Prozess war technisch und kreativ zugleich. Ich habe zuerst skizziert, dann vektorisiert und die Buchstaben in eine digitale Schriftform übersetzt. Ziel war es, die Energie von echten Tags zu erhalten, ohne dass die Font zu künstlich wirkt.
Parallel dazu habe ich mit der Kamera Orte fotografiert, an denen Streetart lebt. Die Kombination aus Schrift und Bild sollte ein Gefühl für diese urbane Sprache vermitteln.
Reflexion & Learnings
Ich habe viel über Typografie, Font-Erstellung und urbane Bildsprache gelernt. Besonders spannend war die Verbindung von analogem Stil mit digitaler Gestaltung. Die Entwicklung einer Font braucht viel mehr Zeit, Geduld und Präzision, als ich zuerst dachte. Gleichzeitig war es schön, dass die Schrift nicht perfekt sein musste. Sie sollte Ecken und Charakter haben.
Auch fotografisch hat mich das Projekt weitergebracht. Ich habe gelernt, genauer hinzusehen und Orte bewusst zu wählen. Besonders Spass gemacht hat mir, dass ich gestalterisch komplett frei war. Für zukünftige Projekte könnte ich mir vorstellen, noch stärker mit echten Stimmen aus der Streetart-Szene zu arbeiten oder die Font weiterzuentwickeln.
Insgesamt war es ein kreatives Experiment, das mich visuell und technisch gefordert hat. Es hat mir gezeigt, dass Gestaltung auch dann stark ist, wenn sie laut, schräg und ungeschliffen bleibt.