Gelateria Eisbrecher

Eine Gelateria auf dem Vorplatz der Reitschule? Für dieses ambitionierte Projekt übernahm ich die komplette Medienarbeit, von Crowdfunding bis Website. Eine Reflexion über Gestaltung, Teamarbeit, Glacékugeln und wie man in drei Monaten eine Gelateria aus dem Boden stampft.

Für das Projekt Gelateria Eisbrecher habe ich mitgeholfen, eine Gelateria auf dem Vorplatz der Reitschule Bern aufzubauen. Die Gelateria ist als Kollektiv organisiert und verfolgt das Ziel, den Vorplatz wieder als lebendigen Treffpunkt für Jung und Alt zu etablieren. Meine Aufgabe bestand darin, das Projekt in seiner Entstehungsphase multimedial zu begleiten, zu bewerben und gestalterisch mitzuentwickeln, mit vielen unterschiedlichen Teilprojekten, die sich gegenseitig beeinflusst und ergänzt haben.

Den Anfang machte das Crowdfunding, das ich initiiert, gestaltet und über mehrere Wochen hinweg betreut habe. Dafür produzierte ich ein Video (Kamera, Animation, Schnitt und Ton), schrieb sämtliche Texte für die Crowdfunding-Seite und gestaltete alle Visuals für die verschiedenen Goodies – inklusive Mockups, wo nötig. Parallel dazu arbeitete ich mit einer weiteren Person aus dem Kollektiv am Logo sowie an den Grundlagen für ein einfaches, aber prägnantes Corporate Design.

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Basierend auf diesem visuell-konzeptionellen Rahmen entwickelte ich eine Vielzahl von Printprodukten: Plakate, Flyer, Sortenschildchen, Gutscheine, Stempelkarten und weitere kleinere Artefakte. Wichtig war mir, dass ein hoher Wiedererkennungswert besteht, ohne den rohen, selbstgemachten Charakter der Reitschule zu verlieren. Der Stil sollte sich irgendwo zwischen DIY und Gelateria-Charme einpendeln: nicht zu «poliert», aber trotzdem sommerlich und zugänglich.

Für den digitalen Auftritt war ich ebenfalls verantwortlich: Ich erstellte einen Instagram-Account, auf dem ich regelmässig Inhalte postete, mit anderen Accounts interagierte und unsere Reichweite vergrösserte. Dazu gehörten Fotos und Videos von Events, welche ich selbst fotografiert und bearbeitet habe, ebenso wie informative und unterhaltsame Reels. Ein Ziel war, dass das Crowdfunding durch diese Inhalte zusätzliche Aufmerksamkeit erhält, was auch gut funktionierte, der Instagram-Account hat in den ersten 30 Tagen über 40’000 Menschen erreicht und 319 Menschen haben das Projekt finanziell unterstützt (Danke dafür <3). Nebenbei schrieb ich Medienmitteilungen, die ich an verschiedene Redaktionen verschickte und dazu führten, dass verschiedene Zeitungen sowie Fernseh- und Radiosender einen Beitrag über die Gelateria Eisbrecher gemacht haben.

Auch die Website der Gelateria wurde von mir erstellt. Zuerst versuchte ich, sie mit HTML und CSS von Grund auf selbst zu bauen, merkte aber bald, dass es für die Zukunft sinnvoller wäre, sie in einem CMS wie WordPress umzusetzen, so dass auch andere Kollektivmitglieder ohne grosse technische Kenntnisse Beiträge selber anpassen oder neue Seiten hinzufügen können und die Wissenshierarchie so möglichst flach bleibt.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit half ich zudem bei der Organisation mehrerer Events, die sowohl Werbung für das Projekt als auch Teil der Kommunikationsstrategie waren. Dazu gehörten unter anderem ein kleiner Glacéwagen am Flohmarkt der Reitschule, ein Glacéstand auf dem Bundesplatz an der 1. Mai-Feier sowie das grosse Eröffnungsfest mit Chor und Italo Disko.

Die grafische Linie wurde gemeinsam mit einer anderen Person aus dem Kollektiv entwickelt. Uns war von Anfang an klar, dass die Gestaltung nicht zu glatt oder zu sehr nach Werbeagentur aussehen darf, sonst verliert sie den Bezug zur Reitschule. Gleichzeitig wollten wir ein sommerliches, lebendiges Gefühl vermitteln, das an Ferien, Leichtigkeit und eben Glacé erinnert.

Daraus entstanden knallige Farben, kreisförmige Elemente (angelehnt an Glacékugeln) und visuelle Anspielungen auf das Pferd als Symbol der Reitschule sowie den Elefanten aus der Reitschul-Kampagne vom Januar.

Aus diesen Bausteinen entwickelte ich ein Designsystem, das sich konsequent durch alle Medien zieht, von der Crowdfunding-Seite bis zur Beschilderung des Containers. So entstand trotz vieler Kanäle eine starke mediale Kohärenz.

(vha)

Lernprozess

Ich habe in diesem Projekt unglaublich viel gelernt. Es war das erste Mal, dass ich so viele unterschiedliche Rollen gleichzeitig eingenommen habe: Texter*in, Gestalter*in, Social-Media-Verantwortliche*r, Event-Organisator*in, Webentwickler*in. Die Aufgaben waren sehr vielfältig, und vieles davon passierte gleichzeitig, oft unter Zeitdruck.

Besonders gelernt habe ich, wie wichtig klare Abmachungen zu Beginn sind: Was genau wird gebraucht? Bis wann? Wer ist wofür zuständig? In diesem Projekt war das leider oft nicht klar geregelt, was mich teilweise sehr gestresst hat, zum Beispiel, als ich kurz vor der Eröffnung plötzlich noch Sortenschildchen und Preislisten designen musste. Tausend kleine Sachen, denen man sich oft nicht so bewusst ist, aber unglaublich viel Zeit in Anspruch nehmen.

 

Selbstreflexion

Anfangs war ich sehr motiviert und überzeugt, aber je näher die Umsetzung rückte, desto mehr stieg der Druck. Beim Dreh des Crowdfunding-Videos merkte ich, dass ich mich besser mit der Kamera (Sony ZV-1) hätte auseinandersetzen sollen. Die Farbkorrektur war nicht optimal, einige Perspektiven sind verwackelt oder fehlen. Auch der Schnitt hätte noch besser sein können, aber die Zeit war sehr knapp, da wir im März mit dem Projekt begonnen haben und die Gelateria schon Ende Mai ihre Luke öffnete.

Das Crowdfunding lief anfangs gut, stagnierte dann aber ziemlich was mich stark verunsicherte. Ich fragte mich, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Doch durch gezielte Reaktionen (mehr Posts, Medienmitteilungen, aktive Bewerbung auf Instagram) kam wieder Bewegung in die Sache, und wir erreichten schliesslich doch die erste Crowdfunding Etappe von 30’000 CHF.

Trotz allem bin ich stolz auf das Resultat. Natürlich gab es auch Dinge, die nicht geklappt haben. Etwa die Idee mit der Stempelkarte für die Räume in der Reitschule. Eine Art Entdeckungstour, bei der man eine Glacé als Belohnung bekommt, wenn man jeden Raum einmal besucht hat. Dafür fehlte schlicht die Zeit.

 

Teamarbeit

Die Arbeit im Kollektiv war spannend, aber auch fordernd. Es gab keine klaren Strukturen für die Kommunikation. Ich wurde häufig spontan kontaktiert, teilweise auch spätabends oder am Wochenende, was mich manchmal überforderte. Für zukünftige Projekte würde ich von Anfang an Kommunikationsregeln vorschlagen: Wann kann wer erreichbar sein? Über welche Kanäle? Das würde helfen, fokussierter zu arbeiten und auch mal abzuschalten.

 

Verbesserungspotenzial

Beim nächsten Mal würde ich:

  • das benötigte Equipment im Vorfeld besser testen (z.B. Kamera, Mikrofon, Licht),
  • den Umfang meiner Aufgaben klarer abgrenzen und frühzeitig kommunizieren,
  • meine Arbeitszeit besser planen und Puffer einbauen,
  • und mehr darauf achten, auch kleine kreative Ideen rechtzeitig umzusetzen.

Fazit

Ich bin sehr froh, dass ich dieses Projekt gemacht habe, auch wenn es immer wieder sehr streng und wahnsinnig umfangreich war. Ich habe mir diverse Skills neu aneignen müssen. Ich hatte zuvor zum Beispiel noch nie eine Website gemacht und nur wenig Erfahrung mit Videoproduktion und Animation.Ich habe in kurzer Zeit also extrem viel gelernt und mich in neuen Tools ausprobiert. Jetzt, mit etwas Abstand, sehe ich, dass ich sehr viel geschafft habe. Mehr, als ich mir während der Produktion manchmal zugetraut hätte. Und allein der Gedanke, dass auf dem Vorplatz jetzt Menschen in der Sonne Glacé essen, macht es schon lohnenswert und ist meiner Meinung nach so interaktiv wie etwas werden kann.