Die Entstehung eines Livestream Studios

Seit dem letzten August durfte ich zusammen mit dem Verein Öffentlichkeitsgesetz ein Konzept für ein Livestream-Videoformat von Anfang bis Ende technisch planen und umsetzen.

Das Ziel des Formats ist es, Erfahrungsberichte sowie Tipps und Tricks von Medienschaffenden für Medienschaffende in einem ansprechenden Setting zu präsentieren. Die Anforderungen an das Live Format sind hoch und teilweise eine echte technische Herausforderung. Das mich dieses Projekt ein ganzes Semester lang einnehmen wird, hätte ich mir zu Beginn noch nicht vorstellen können.

Angefangen hat das Projekt mit der Akustik: Es gab eine Besichtigung des Raumes sowie eine erste Sitzung, um die Details der Idee zu besprechen. Nach dem wir die genauen Masse für den Raum nahmen, wurde ein Raumplan erstellt. Das ganze sah zu diesem Zeitpunkt so aus:

Akustikmassnahmen

Mein Ziel war es, die Nachhallzeit des Raumes zu senken, da die Sprachverständlichkeit im Raum extrem schlecht war. Dies kommt daher, dass die Wände schallhart sind und den Schall stark reflektieren. Dafür haben wir Offerten von zwei verschiedenen Unternehmen eingeholt und diese geprüft. Schlussendlich haben wir uns fürs Erste für eine Lieferung von 4 Deckabsorbern mit einer Dimension von jeweils 1m x 2m entschieden. Mit Drahtseilhalterungen haben wir die Panels selbst montiert. Zusätzlich bestellten wir Akustikvorhänge mit massgeschneiderten Längen und Breiten. Diese sind nicht nur gut für die Raumakustik, sondern auch für die Beleuchtungssituation. Der Raum hat nämlich 3 Fenster, welche das Licht im Raum je nach Wetter massiv beeinflussen. Zum Schluss haben wir noch einige Quadratmeter hölzerne Absorber ausgewählt, welche wir ins Setdesign integrierten. Das sah dann etwa so aus.

Set mit Akustikmassnahmen

Technische Planung

Die ganze Kiste technisch so zu planen, dass sie auch funktionierte, war eine echte Herausforderung. Angefangen bei der Streamingplattform, über die Wahl der Objektive, des Audioequipments bis hin zu den Spezifikationen und Anschlüssen der Streamingcomputer, musste alles aufeinander abgestimmt sein. Dabei spielten ebenso Lieferfristen wie auch der Preis eine entscheidende Rolle. Da es keine massgeschneiderte Lösung für unsere Projektanforderungen gab, musste ich aus verschiedensten möglichen Setups das Essenzielle herausfiltern und so neu andenken, dass es optimal für unsere Zwecke realisierbar war.

Vier grosse Anforderungen an die Technik erschwerten den Entwicklungsprozess massgeblich:

  • Das Studio soll der Moderation vor Ort die Möglichkeit bieten, wie in der Tagesschau mit einem/r online dazugeschalteten Gastreferenten/in ein Gespräch zu führen.
  • Die Zuschauer des Streams sollen interaktiv mit allen beteiligten Gästen und Gastreferent*innen interagieren können.
  • Die ganze Veranstaltung soll mit Hilfe eines Elgato Streamdeck von der Moderation alleine überwacht und gesteuert werden.
  • Der Raum soll parallel auch als Sitzungszimmer genutzt werden, also darf so wenig wie möglich fix installiert sein.

Nebenbei sollte alles so professionell wie möglich aussehen, aber gleichzeitig so benutzerfreundlich wie möglich sein. Natürlich mussten sämtliche Inhalte, sowie auch die Fragen und Webcams der Zuschauer im Zoomcall aufgenommen werden, aber ohne dass im Zoomcall ersichtlich ist, dass gerade die Zoomsession aufgenommen wurde. Diese Inhalte sollen später neu zusammengeschnitten und archiviert werden können. Schlussendlich konnte ich nach Unmengen an Recherchen und Sitzungen folgenden Schaltplan ausarbeiten.

Schaltplan Streamingsetup

Zusätzlich wollte ich die ganze Funktionsweise des Setups in Worte fassen, um den Überblick nicht zu verlieren und das Projekt für die Zukunft verständlich zu dokumentieren. Wer noch am Ball ist, kann hier die genaueren Funktionsweisen nachlesen:

Technische Umsetzung

Nach der Planungsphase haben wir das ganze Material, welches wir akribisch zusammengesucht haben, nun endlich bestellen können. Die Liste sah grob folgendermassen aus, alle detaillierten Produkte erwähne ich hier nicht:

  • 3 x Blackmagic Studio Camera 4K Plus
  • 3 x Objektive MFT 24 – 70mm
  • 3 x Stative
  • 1 x Blackmagic ATEM Mini Pro ISO
  • 3 x Elgato Key Light
  • 3 x Lichtstativ
  • 2 x Rode Wireless Go 2 Double
  • 1 x Rode Roadcaster Pro II
  • 1 x Teleprompter
  • Diverse Kabel
  • 1 x Kopfhörer-System InEar 3er-Set
  • 1 x Screen für Studio
  • 1 x Computer für Zoom Meeting & OBS
  • 1 x Computer für Videocall Gastreferenten
  • 1 x Screen für Monitoring des Zoomcalls
  • 1 x Netzwerk-Switch
  • 1 x San Disk SD 128 GB
  • 1 x Samsung T7 Festplatte 2TB
  • 2 x Blackmagic Ultrastudio Recorder 3G
  • 1 x USB-C Hub
  • 1 x HDMI Splitter
  • 3 x Rode VXLR Pro

Das ganze Material auszupacken war wie Geburtsag und Weihnachten zusammen. Die Materialschlacht sah dann etwa so aus.

Beim Installieren der Technik werde ich einige Schritte überspringen. Nachdem ich die Computer aufgesetzt habe und die restlichen Peripheriegeräte zum laufen gebracht hatte, musste ich noch die Streamingsoftware OBS sowie alle Shortcuts fürs Elgato Streamdeck einrichten. Alleine für das brauchte ich rund zwei Arbeitstage. Das fertige Studio sah dann so aus.

Und hier ist das Endresultat zu sehen.

Bitte akzeptiere die statistik, Marketing Cookies um diesen Inhalt zu sehen.

(bas)

Allgemeine Kritik:

Das Projekt war extrem lehrreich. Auf keine Andere Art und Weise hätte ich so viel über Technik und Projektplanung lernen können, wie mit einem solchen Projekt. Teils war ich ein wenig überfordert, aber trotzdem immer zuversichtlich, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Was mich erstaunte, war die komplexität dieses Projektes. Alle Schritte bis ins kleinste Detail zu planen ist eine echet Herausforderung. Vom Anforderungsprofil an die Technik über die Akustik, die Planung, die Aquise des Materials, die Installation, die Aufnahmen, die Dateistrukturen der aufgenommenen Dateien, die Voreinstellungen der Programme, die Testphase, die ersten Sendungen, die Nachbearbeitung, die Anleitung zur Inbetriebnahme, die Shortscuts auf dem Streamdeck, die Szenen in OBS etc. Das braucht vor allem Zeit und Geduld.

Verbesserungspotenzial:

Was zu anfang noch sehr überschaubar war, wurde nach einer Zeit echt unübersichtlich. Sich hierbei alle Informationen immer aufzuschreiben, auch wenn man in der einen Hand das Telefon hält, ist unumgänglich, um den Überblick zu behalten. Wenn so viele Faktoren zusammenspielen, ist man auch angewiesen auf alle Notizen, denn potenziell könnte eine Entscheidung massgeblichen Einfluss auf alle zuvor getroffenen Entscheidungen haben. Zum Beispiel habe ich erst nachdem wir das ganze Material bestellt hatten herausgefunden, dass Bild und Ton, welche zurück in den Zoomcall der Gastreferent*innen geschickt wird, untereinander verzögert sind. So haben wir darauf verzichtet, ein Bild zurück in disen Call zu schicken, was einen Videoconverter und einen HDMI SPlitter für 200 Franken überflüssig gemacht hat.

Planungsphase:

Ich dachte zwar, dass ich einiges an Erfahrung im Streaming habe, jedoch habe ich schnell gemerkt, dass der Teufel wirklich im Detail liegt. Die Sache so akribisch zu planen, dass jede potenzielle Fehlerquelle ausgeschlossen werden kann, ist ein Ding der unmöglichkeit. Alleine eine Streaminvgplattform zu finden, welche all unseren Anforderungen gerecht werden kann, war extrem schwierig, da viele Informationen nicht ausreichend waren und wir für die detailfragen jeweils den Kundensupport anfragen mussten. Speziell bei Zoom, für was wir uns dann entschieden, versuchten wir rund einen Monat lang ein Testabo für einen Businessaccount zu erhalten, um die Full-HD Streaming Funktion zu testen. Das sollte eigenlich nicht so schwierig sein, erforderte aber viel Geduld, da beim Techniksupport von Zoom ein paar Mal etwas schief ging.

Umsetzung:

Bei der Umsetzung waren es sehr viele kleine Dinge, die Probleme bereiteten.Deshalb brauchte das Setup auch sehr viel Zeit. Vorallem die ganze Steuerung des Setups via Streamdeck zu konfigurieren brauchte einiges an Überarbeitung, da wir uns in einem Prozess befanden, in dem wir ausprobieren mussten und schauen musste, was für die Handhabung am besten funktioniert. Und lustigerweise brauchte das Einrichten von verschiedenen Geräten wie dem Audiomixer, dem Inearsystem sowie den Computern auch mehr Zeit als erwartet. Das grösste Problem war aber nicht das Einrichten von allen Komponenten, das funktionierte nämlich mit genügend Zeit relativ gut. Vielmehr haben die Funksender und Empfänger ein penetrantes Brummen aufgenommen. Bis zum Schluss konte ich mir nicht erklären, von wo das kam. Nach vielen Versuchen, das Problem zu identifizieren oder zu beheben musste ich am Ende die entscheidung treffen, dass wir die Funkmikrofone mit einer kabelgebundenen Lösung ersetzen. Diese funktioniert jetzt zum Glück einwandfrei. Zu guter letzt schrieb ich noch eine Anleitung, wie das Setup in Betrieb genommen werden kann, wenn ich nicht mehr vor Ort bin.

Fazit

Das Projekt festigte mein Fachwissen im Bereich Livestreaming. Es war eine Bereicherung und eine wichtige Erfahrung, ein Projekt von einer solchen Grösse zu begleiten und bis am Schluss umzusetzen. Alles in allem bin ich sehr stolz, das Projekt an einen Punkt gebracht zu haben, wo es veröffentlicht werden kann und bin dem Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch sehr dankbar für das Vetrauen, welches in mich gesteckt wurde.