Swipen statt Walzer tanzen: Partnersuche früher und heute

1950 gab es in der Schweiz kaum Clubs oder Discos. Die grosse Liebe flirtete man demnach nicht bei 100 Dezibel in der Disco an und man fand die Partnerin fürs Leben auch nicht im Internet. Aber wie und wo dann? Vier Personen erzählen von ihrer Partnersuche früher und heute – im Internet und beim Walzer tanzen.    

Ruth Keller hat mit 21 Jahren geheiratet. Im Jahr 1950 ist das gewesen und sie war eher spät dran. Andere gleichaltrige Freundinnen hatten damals bereits Kinder. Rund 70 Jahre später geniesst die 21-jährige Ronja Bollinger ihre Freiheit. Sie ist vor Kurzem in eine WG gezogen, geht an Openair-Konzerte, tanzt die Nächte durch und schmiedet Pläne für die Zukunft: Vielleicht will sie noch studieren. Oder doch lieber eine Weltreise?

Ronja Bollinger, Ruth Keller und zwei weitere Protagonist*innen erzählen in dieser Audioarbeit von ihrer Suche nach dem Partner fürs Leben. Die 29-jährige Tamara Saladin hat ihren Partner auf der Dating-App «Tinder»kennengelernt und heiratet demnächst. Karl Schlatter hat seine Margrit beim Walzertanzen 1962 «engagiert» und erobert.

Wie lief das in den Jahren 1950 oder 1962 genau ab? Welche Werte waren früher wichtig? Welche Anforderungen an einen Partner haben die heutigen Singles? Kann Internet-Liebe dauerhaft funktionieren? Antworten auf diese Fragen liefern nicht nur die vier Protagonist*innen. Psychologe Thomas Spielmann weist auf spannende Veränderungen in Beziehungen während der letzten Jahrzehnte hin. Single-Beraterin Andrea Klausberger leitet seit bald 30 Jahren die Agentur «Partnervermittlung mit Herz» und hilft Singles zu ihrem Glück. Sie erzählt, warum Singles sie aufsuchen und was sie sich erhoffen.

Eine Audioarbeit über die Partnersuche – früher und heute.

(hil)

Idee
Hektik bestimmt den Radio-Alltag. Für längere Hintergrundgeschichten blieb während meiner Zeit als Radiojournalistin eines Lokalradios kaum einmal Zeit. Während des Studiums habe ich mir nun diese Zeit genommen und diese 30-minütige Audioarbeit realisiert. Ich habe mich schon immer für die Vergangenheit – für die Zeit unserer Grosseltern – und gesellschaftliche Veränderungen interessiert. Das Thema Partnersuche und Beziehungen fand ich besonders spannend. Ich konnte mir schon vor den ersten Interviews vorstellen, dass sich in diesem Gebiet in den letzten Jahrzehnten viel verändert hat.

Umsetzung und technische Herausforderung
Nur die wenigsten meiner Protagonisten kannte ich vor dem ersten Gespräch persönlich. Durch intensive Recherche bin ich auf die Personen gestossen. Mit den ersten zwei Interviews hatte ich noch Glück. Ronja Bollinger habe ich persönlich getroffen und konnte das Interview mit dem Flash-Mikrofon aufnehmen. Ruth Keller kam ins Studio meines ehemaligen Arbeitgebers «Radio Munot». Die Qualität der beiden Interviews ist daher gut.

Wegen der steigenden Corona-Fallzahlen wurde es dann wieder schwieriger meine Interviewpartner persönlich zu treffen. Die restlichen Gespräche habe ich via Facetime oder Zoom gemacht. Die Töne haben die Interviewpartnerinnen und -partner dabei selbst mit dem Handy aufgenommen. Obwohl ich jeweils betont habe, sie sollen in einen kleinen möblierten Raum gehen, hört man teilweise den Hall und merkt, dass sie sich nicht in einem Aufnahmestudio befinden.

Das Interview mit Psychologe Thomas Spielmann hat im Hintergrund Störgeräusche. Dieses konnte ich leider auch mit Hilfe von Pro Tools und Adobe Audition nicht herausfiltern, da die Geräusche und seine Stimme in der gleichen Frequenz liegen. Auch eine Freundin und angehende Sounddesignerin konnte mir nicht weiterhelfen. Wir haben darauf verzichtet teure PlugIns zu kaufen, man versteht Spielmann ja trotz allem ganz gut.

Die Arbeit habe ich mit dem Schnittprogramm DigiMedia (Studer) zusammengeschnitten. Die Aufnahme meiner Erzählstimme wurde ebenfalls mit diesem Programm im Radiostudio aufgenommen. Die Aufnahme ist nicht perfekt. Normalerweise gleicht das Programm kleine Lautstärkenunterschiede automatisch aus. Im Moment finden dort einige Umstellungen und Anpassungen statt, das könnte ziemlich sicher der Grund dafür sein.

Learnings
Im Nachhinein hätte ich Test-Interviews machen sollen, um herauszufinden, ob die Qualität des Tons gut ist. Teilweise waren die Interviewpartnerinnen und -partner aber schon älter und mit der Sprachaufnahme auf dem Handy überfordert. Ich wollte sie nicht zusätzlich stressen und achtete stattdessen darauf, dass sie sich während des Erzählens wohl fühlten.

Ich habe versucht, mich nicht zu fest über die Qualität einiger Interviews aufzuregen. Es ist doch auch schön, was die moderne Technik uns ermöglicht. Alte Radiojournalisten erzählen mir heute noch, wie sie früher mit der Schere die Bänder schneiden mussten. Heute kann ich im Homeoffice und ohne meine Interviewpartner zu treffen so eine Arbeit realisieren.

Fazit
Selten bin ich ganz zufrieden mit meiner Arbeit. Ständig habe ich wieder neue Ideen und hätte etwas noch anders oder besser machen wollen. Aber irgendwann muss man die Arbeit auch einfach abschliessen. Besonders gefällt mir, dass die Arbeit tatsächlich zeigt, wie anders es in der Vergangenheit in Bezug auf die Partnersuche war. Auch die Protagonisten sind gut ausgewählt. Die Arbeit und der damit verbundene Prozess waren lehrreich und haben unglaublich Spass gemacht. Ich habe spannende Menschen getroffen und tolle Geschichten gehört. Ich habe so viel Material und hätte auch eine weitere halbe Stunde erzählen können. Aber wie sagt man so schön: «In der Kürze liegt die Würze».