morn – Kurzfilm

Seit einiger Zeit habe ich mich mit der Prokrastination angefreundet. Was ich früher zeitnah erledigte, zieht sich mittlerweile oft über mehrere Tage oder Wochen – bis kurz vor knapp. Davon betroffen sind nicht nur To Do’s fürs Studium, sondern auch scheinbar banale Alltagsaufgaben. Um der Prokrastination entgegenzuwirken, habe ich den Kurzfilm «morn» produziert.

Ursprünglich wollte ich für das Showreel von Schauspieler Florian Reimann ein paar Sequenzen aus dem Film «Das weisse Rauschen»(2001) nachstellen lassen. Zeitgleich habe ich mich erstmals aktiv mit der Prokrastination auseinandergesetzt und darüber eine Storyline verfasst. 

Der daraus entstandene Kurzfilm ist dennoch vom Film «Das weisse Rauschen» inspiriert. «morn» ist mit der Handkamera aufgenommen und es wurde in der Postproduction auf einen Bildstabilisator verzichtet. Auch das Sounddesign ist nahe an der Realität. Unzählige rauschende Ambi-Tonspuren geben dem Stumpfsinn der Situation Charakter. Der Kurzfilm ist experimentell und zieht sich teilweise in die Länge, da einige Szenen bewusst nicht geschnitten wurden. Dadurch soll dem Gefühl des Aufschiebens/ Herauszögerns oder eben des Prokrastinierens Raum gegeben werden.

Zur Vorbereitung

Mit meiner Canon EOS 100D habe ich im Wohnzimmer, im Flur und im Badezimmer der WG verschiedene Lichtverhältnisse und Bildausschnitte ausprobiert. Für einen ersten Probedurchlauf und die beiden Drehtage habe ich die SonyA7 III, einen ND Filter und zwei mini Aputure LEDs von der Fachhochschule ausgeliehen.

Nach einigen Gesprächen bezüglich unserer Vorstellung vom Projekt, habe ich ein Moodboard erstellt. Zusammen mit der Shotlist konnte sich Florian auf den Dreh vorbereiten.

Zur Handlung

Milo wird mitten in der Nacht durch ein Klingeln an der Haustüre aus dem Schlaf gerissen. Nachdem er widerwillig aufsteht und niemand vor der Tür ist, bemerkt er einen Zettel auf der Fussmatte. Er hebt ihn auf und wirft ihn neben die anderen Zettel auf den Wohnzimmertisch. Zurück auf dem Sofa lässt er die Zeit verstreichen. Während Milo sich auf der Fensterbank eine Zigarette anzündet, taucht er zeitgleich in der Badewanne ab. Als er sich beim Einatmen verschluckt, wird er abrupt aus seiner Trägheit gerissen. Hier könnte die Einsicht erfolgt sein, die Aufgaben «hüt» und nicht erst «morn» zu erledigen…

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Zum Stil

Beim Colour Grading der Badewannenszenen hatte ich eine Sequenz aus «Das weisse Rauschen» im Hinterkopf. Der Protagonist Lukas springt von einer Brücke in den Rhein. In einer nächsten abstrakten Szene hält er seinen Kopf in den reissenden Fluss. Der Ausschnitt ist überbelichtet, kontrastreich und in ein grünes Licht getaucht. Auf Netflix ist der Film noch bis Ende Januar verfügbar und beim Timecode «1:21:54» ist die Szene im Wasser zu sehen. Alternativ ist das Still auf dem Moodboard ersichtlich.

Da der gesamte Film in der Nacht spielt, habe ich einen ND Filter verwendet, um bereits beim Filmen ein dunkleres Bild zu erhalten. Obschon so einige Takes zu dunkel geworden sind, hat mir der Filter viel Arbeit beim Colourgrading erspart. So konnte ich mich hauptsächlich auf die Farbgebung und den damit verbundenen Blauton konzentrieren.

Social Media

Nebenbei habe ich Florians Instagram-Account bezüglich Caption, Highlights und Feed überarbeitet. In Absprache mit ihm habe ich einen Social-Media Guide erstellt. Florian hat mittlerweile seine Ausbildung an der Schauspielschule Zürich «filmZ» erfolgreich abgeschlossen und möchte sein Profil auf Instagram professioneller gestalten.

Für Florians Instagram-Account habe ich drei Posts vorbereitet, um den Kurzfilm «morn» anzuteasern –ein Caroussel und zwei Reels, in welchen kurze Ausschnitte des Filmes zu sehen sind. Der Content wird in den nächsten Tagen auf dem Instagram-Channel @reimannflo publiziert.

(dbo)

Idee

Bisher habe ich bei Filmprojekten an der FHGR, der HAW Hamburg oder in der Freizeit entweder Audio, Postproduction, Regie und Drehbuch oder Maske übernommen. Mein Ziel war es für dieses Projekt, einen Kurzfilm vom Anfang bis zum Schluss selbst zu produzieren. Der Film, der mir seit einiger Zeit ständig im Kopf ist heisst «Das weisse Rauschen» von Hans Weingartner. Die Low-Budget-Produktion ist durch ein Studienprojekt entstanden, grobkörnig und holprig geschnitten. Trotzdem oder genau deshalb gefällt mir die Machart des Filmes besonders gut.

 

Umsetzung

Da ich die verschiedenen Einstellungen mit meiner alten Kamera geprobt, und das Wohnzimmer bereits eingerichtet hatte, fühlte ich mich an den Drehtagen gut vorbereitet. Die Drehs mit Florian haben super funktioniert und zusätzlich zur Shotlist haben wir weitere, spontane Szenen filmen können. Das Videomaterial ist schon seit einigen Monaten abgedreht, weshalb ich in der Postproduktion genügend Zeit hatte. Obwohl ich zu Beginn der Postproduktionszeit etwas prokrastinierte, konnte ich mich überwinden und habe angefangen, das Rohmaterial zu sichten. «Kill your Darlings» ist echt nicht mein Ding und so sind insgesamt fünf verschiedene Rohschnitte entstanden, die ich ein paar Wochen beiseite legen musste, da ich im Prozess nicht weiterkam. Diese Zeit habe ich gebraucht, da ich beim erneuten Öffnen des Projektes viel besser beurteilen konnte, welche Sequenzen raus konnten und welche bleiben durften.

Das Colourgrading hat mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet, da ich zuerst mit DaVinci Resolve arbeiten wollte, mich dann aber nach einigen Momenten der Frustration doch dagegen entschied. Dank des ND-Filters entstand der Nacht-Mood bereits beim Filmen. Nach einigen Tutorials dazu, wie Aufnahmen bei Tageslicht in Nachtstimmung umgewandelt werden können, habe ich das Material relativ einheitlich überarbeitet.

Beim Sounddesign habe ich am meisten Zeit in die Recherche und Nachbearbeitung investiert. Um Florian eine Atmosphäre zu bieten, in der er sich wohl fühlt und in der er vor der Kamera improvisieren kann, habe ich im Hintergrund Musik spielen lassen. Ich hatte ursprünglich vor, ein paar dumpfe Bass- und Gitarrensounds zu produzieren und darüberzulegen, weshalb ich auf den O-Ton vor Ort keinen Wert legte.

Da ich mich während der Postproduktion aber dazu entschied, dem Film keine Musik zu geben sondern nur mit rauen Ambiaufnahmen und Originaltönen zu arbeiten, konnte ich etwa die hälfte der Originaltonspuren nicht verwenden. So habe ich den Feinschnitt auf dem grossen Bildschirm abgespielt und zeitgleich mit verschiedenen Materialien und Bewegungen passende Geräusche dazu produziert. So musste ich folgende Szenen nachträglich vertonen:

  • Hinsetzen und Licht anmachen auf dem Sofa
  • Auspusten der Kerze
  • Wandernde Hand unter dem Glastisch
  • Kissen auf den Kopf schlagen, fallen lassen & wieder aufheben
  • Luft rausprusten auf dem Sofa
  • Schreiben des Zettels
  • Zerdrücken der Zigarette auf dem Papier

Mit dem Pitch Shifter habe ich die Tonspuren bei 1:37 und 2:32  verändert, sodass sie etwa in der Tonlage von Florians Stimme entsprechen. Diesen Aufwand hätte ich mir sparen können, jedoch sehe ich den Zusatz als Learning und finde, das «Geräuschemachen» ist mir gelungen.

 

Fazit

Obschon ich mir vorgenommen hatte, die Schnitte nicht zu schnell zu setzen, habe ich an einigen Stellen nicht widerstehen können. Viele Sequenzen habe ich weggelassen, da der Film in der ersten, neunminütigen Fassung doch zu wenig Spannung aufbauen konnte. Würde ich mich nochmals neu an den Schnitt setzen, würde der Kurzfilm womöglich viel abstrakter. Trotzdem bin ich mit dem Endergebnis relativ zufrieden und kann mir gut vorstellen, wieder einmal ein solches Projekt zu starten.

Dank Florians Geduld konnte ich Szenen aus verschiedenen Perspektiven filmen und auch für einen neunten oder zehnten Take war er motiviert. Während des gesamten Prozesses konnte ich viel dazulernen und habe für mich einige Learnings mitgenommen. So fühle ich mich hinter der Kamera viel sicherer und auch in der Postproduktion wurden einige Arbeitsvorgänge zur Routine.