«Meine Krankheit hat mir meine Unbeschwertheit genommen»

Stell dir vor, du hast seit zehn Jahren unglaubliche Schmerzen. Deine Ernährung besteht aus glutenfreiem Brot und Wasser, denn du verträgst fast keine Lebensmittel mehr. Dein Umfeld wird immer kleiner und du ziehst dich immer weiter zurück.

Doch auch zahlreiche Arztbesuche können keine Ursache für dein Leiden finden. Dies geht so weit, dass dein Hausarzt dich als Simulantin abstempelt und dich zu einer Psychotherapeutin überweist. Denn das muss es sein: ein psychisches Problem und kein physisches. Am Ende liegst du zusammengekrümmt auf deinem Bett und fragst dich selbst, ob du wirklich Schmerzen hast oder doch nur simulierst.

Dies ist die Geschichte von einer Endometriose-Betroffenen*. Sie hat Jahre lang gelitten und wurde von ihrem Hausarzt nicht ernst genommen.

Am Ende nahm sie ihr Schicksal selbst in die Hand und stiess auf die Unterleibserkrankung «Endometriose». Nach einer Untersuchung stand fest: Ja, du hast Endometriose im 4. Stadium.

Im Interview erzähl die Betroffene* ihre Geschichte.

*Die Betroffene will anonym bleiben.

(mou)

Idee

Im 4. Semester traf ich das erste Mal auf das Thema «Endometriose». 1 von 10 Menstruierende leiden an der chronischen Unterleibserkrankung. Doch trotzdem spricht fast niemand darüber. Ich wollte einer Betroffenen mit diesem Digezz-Beitrag eine Stimme geben und so das Tabu um die Thematik brechen. In einem Interview  sprach sie das erste Mal über ihre Krankheit und zeigte deren «Heimtücken» auf.

Vorgehen

Die Personensuche gestaltete sich sehr einfach, denn ich musste nicht sie finden, sondern sie kam auf mich zu. In einer Instagram-DM reagierte sie auf einen Aufruf auf dem bloodytalk-Account. Wir schrieben etwas Hin und Her und machten schliesslich einen Interview-Termin im Herzen der Zürcher-Altstadt ab.

Das Interview lief sehr gut. Sie war sehr offen und sprach über ihre Geschichte. Wir trafen uns um 14:00 Uhr und endeten unser Gespräch um 17:00. Persönlich war ich sehr ergriffen. Es ist ein hoch emotionales Thema und ein solches Interview zu führen, hat einen ganz anderen Charakter als die Interview, die ich bisher machte.

Nach dem Gespräch ging die Arbeit erst so richtig los. Ich hatte fast 3h Material. Ich transkribierte das Gespräch und fing an, das Gesagte zu verdichten. Dies ging sehr lange. Alleine für das Transkript hatte ich 3 Tage. Ich erstellte schliesslich eine erste Fassung und schickte sie der Betroffenen zum Gegenlesen. Mir war wichtig, dass sie mit den Antworten zufrieden war und so ihre Geschichte korrekt an die Lesenden transportiert wird.

Innerhalb nur weniger Tage sendete sie mir das Dokument zurück mit wenigen Korrekturen. Ich änderte die Einzelheiten und passte sie an. Als der Text schliesslich stand, machte ich mich ans Layout im Indesign.

Ich entschied, drei Illustrationen zu gestalten, die die Geschichte unterstützen sollen. Dafür nutze ich Procreate. Ich wollte ein sauberes und simples Design gestalten. Dabei lehnte ich mich stark am Design von bloody talk an – der einzige Unterschied: Es sind Zeichnungen von Hand und nicht mit dem Illustrator.

Schwierigkeiten

Das war eines der sensibelsten Themen, die ich bisher in einem Interview erfahren durfte. Die Betroffene selbst sagte, dass sie das erste Mal mit jemandem über ihre Erfahrungen gesprochen hatte. Ich war etwas überrumpelt, dass sie mir so bereitwillig diesen Einblick in ihr Leben gegeben hatte. Das schätze ich unglaublich an ihr. Ich konnte ein Umfeld für sie erschaffen, indem sie sich wohlfühlte und sich öffnete.

Gerade weil das Thema so sensibel ist, machte ich mir viele Gedanken um einen passenden Fragekatalog. Ich war mir im Vorhinein nicht sicher, welche Fragen nun angebracht und welche es nicht sind. Trotzdem wollte ich ihr meine Fragen nicht schon vor dem Gespräch geben. Denn spontane Antworten transportieren viel mehr als zuvor zurechtgelegte Aussagen.

Diese offenen Fragen hatten jedoch einen grossen Nachteil: Das Gespräch ging sehr lange und am Ende hatte ich sehr viel Material. Es gestaltete sich viel schwieriger als gedacht, was ich weglassen und welche Aspekte unbedingt drin bleiben sollen. Vor allem hatte ich etwas Angst davor, dass wenn ich etwas – meiner Meinung nach – unwichtiges weglasse, das für die Protagonisten doch enorm wichtig ist.

Learnings

  • Interview zu einem sehr sensiblen und persönlichen Thema führen
  • Fragenkatalog für ein solches Thema zusammenstellen
  • passende Illustrationen gestalten
  • Kill your Darlings – leider müssen schöne Aussagen manchmal weggelassen werden.