«is there more?» – ein Song von Jonny Breaux

Egal, ob es der erste Song ist oder der hundertste: Man fängt immer bei null an. Mit Jonny mache ich seit Jahren Musik. 2017 haben wir das erste Mal etwas Eigenes komponiert. Jetzt sitzen wir wieder zusammen, ideenlos, bei null.

«Dude, wie findsch die Chords?» Jonny greift zur akustischen Gitarre. Ich kenne die Frage gut. Es ist meine Lieblingsfrage, denn ich weiss: Jetzt kommt was. Zwei Stunden lang haben wir unten im Bandkeller rumprobiert, jetzt spielt er drei Akkorde, immer wieder. «Nöd schlecht», finde ich.

Ich setze mich an die Drums, steige sanft mit ein, langweilig. «Spiel wieter, aber folg mine Drums.» Ich ziehe das Tempo an, es kommt Bewegung in die Sache. «Ultra Country, aber irgendwie no geil.» «Shawn Mendes Wannabes», tauft uns Jonny.

Warnung! Gitarrist am Schlagzeug…

Ich starte eine neue Recording-Session und nenne sie liebevoll «dings». Erst grobe Drums, dann die Gitarre. Finesse kommt später. Jonny sitzt auf der Couch, schweigt, schreibt. Nach einer Viertelstunde hat er was.

Jonnys Idee für den ersten Verse

Ein paar Stunden später haben wir das Grundgerüst. An einigen Stellen fehlt noch Text und besonders sauber ist das Instrumental auch noch nicht, aber der Song lebt. In den Wochen danach feilen wir weiter, nehmen Vocals auf, bauen aus, streichen, basteln. Ich verliere mich wie immer in Details.

Die Timeline in Logic Pro

Nach einigen Rerecording-Sessions steht der Song. Jetzt kommt das Editing. 44 Vocalspuren. 75 insgesamt. Ein Fest. Irgendwann kann ich den Song nicht mehr hören – das ist meist ein gutes Zeichen. Ich schicke Jonny die Stems. Er lässt den Song mixen und mastern.

Is There More MASTER v3.mp4. Nach dem zweiten Feedback passt’s. Gut so, denn ab der dritten Version kostet’s extra.

Cover Art? Machen wir wie bei Evergreen, dem vorherigen Song, nur diesmal mit einer anderen Farbe. Jonny wieder in den Fotoautomaten und mit dem Apple Pencil darüberkritzeln. Hintergrund: orange. Gefällt uns. It’s a wrap.

is there more? – ein peppiger country-pop-Song über Existenzkrisen. Now on Spotify!

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(vha)

Learnings

Der grösste Kritikpunkt ist für mich die Dynamik des Songs. Das ist auch bei den meisten Tracks an denen ich arbeite der Fall. Wenn mir ein bestimmter Groove oder das Spannungslevel allgemein gefällt, fällt es mir schwer, davon loszulassen, also das Level zu senken, ruhiger zu werden oder die Drums mal wegzulassen. Im aktuellen Track wird die Spannung stark durch die Drums getragen und die spielen, bis auf ein paar kurze Pausen, viereinhalb Minuten lang denselben Part.

Erschwerend kommt dazu, dass es sich um gesamplete Drums handelt, konkret um einen Loop von Splice, einer Online-Bibliothek für Sounds. Der Sound ist zwar echt, aber ich habe keinerlei Kontrolle über die Dynamik. Also muss ich mich entscheiden: Lasse ich die Drums spielen, lasse ich sie weg oder versuche ich, den Groove mit ähnlichen Sounds nachzubauen? Die ideale Lösung wäre natürlich, die Drums selbst einzuspielen. Das habe ich mir fürs nächste Projekt definitiv vorgenommen.

Ein weiteres Thema ist die Pitch Correction der Vocals. Ich habe alle Vocalspuren von Hand gepitcht und dabei versucht, sie möglichst natürlich und sauber klingen zu lassen. Trotzdem hört man an ein paar Stellen, dass ich es ein bisschen übertrieben habe. Auto-Tune-Sound lässt grüssen. 

Fazit

Abgesehen von diesen beiden Punkten (und ein paar weiteren Details, die sowieso nur mir auffallen) finde ich den Song insgesamt sehr gelungen. Es hilft enorm, zu wissen, dass meine Selbstkritik hauptsächlich die Produktion betrifft. Songwriting und Arrangement funktionieren für mich – “es verhebt” würde ich auf Schweizerdeutsch sagen. Wollte ich den Song also nochmal überarbeiten, müsste ich nur an der Aufnahme basteln, nicht am Song selbst. Und das ist für mich das Wichtigste.