HipHop-Storytelling im Reel-Format
Für das grosse Tour-Heimspiel im Komplex 457 des Rappers Mc Hero durfte ich einen Kurzfilm produzieren, in der der Künstler seine eindrückliche Geschichte erzählt.
Schweizer Rap hat auch heute noch neben der dominanten Deutschrap-Industrie einen schweren Stand. Mc Hero ist aber einer der Künstler, der die bisherigen Möglichkeiten der Nischenszene immer wieder sprengt und ihre Grenzen ausweitet, wie auch mit seiner neu erschienen EP-Kollaboration «Dirty South» mit dem deutschen Rapper Haze. Mit fast 190’000 Hörern auf Spotify zählt Hero zu den erfolgreichsten Mundart-Rappern und sicherte sich mit seinem Soloalbum «Schön hämmer gredet» die Spitze der Schweizer Album-Charts. Nun geht er gemeinsam mit Haze auf internationale Tour und exportiert Mundart erstmals im grossen Stil auch nach Deutschland. Am 17. Januar macht die Tour Halt im Komplex 457, eine Venue mit knapp 1500 Plätzen. Die Mundart-Rapper, die eine solche Halle füllen, kann man an einer Hand abzählen.
Mc Hero hat eine eindrückliche Lebensgeschichte. Er wuchs in der tristen Zürcher Lochergut-Siedlung auf und wurde früh mit Gewalt, Kriminalität und schweren Schicksalsschlägen wie dem Verlust von Kindheitsfreunden konfrontiert. Im Jugendalter geriet er in die Ultraszene und in eine Spirale aus Gewalt und Chaos, die ihn beinahe Jahre hinter Gitter gebracht hätte. Die Musik und Kampfsport halfen ihm, seine Aggressionen in etwas Konstruktives zu kanalisieren. Seine Disziplin und Leidenschaft für Musik retteten ihn nicht nur aus der Kriminalität, sondern machten ihn zum Rapstar mit einem Soloalbum an der Chartspitze. Heute zählt er zu den erfolgreichsten und prägendsten Strassenrappern des Landes.
Diese Story wollte ich unbedingt in Videoform erzählen. Als sich im Rahmen seines EP-Rollouts die Möglichkeit ergab, konzipierte ich ein anderthalb-minütiges Videoprojekt, in welchem ich Mc Hero nach meinen Vorstellungen portraitierte. Heros Jugendschauplätze, der Archetyp der «Heldenreise» und diverse Musikvideos dienten mir dabei als Inspiration. Mit dynamischen Hyperlapses, hektischen Cuts und einem rauen Look wollte ich die Stimmung der Lochergut-Siedlung einfangen, und ihn selbst seine Geschichte erzählen lassen. Das finale Resultat lässt sich auf Heros Page oder hier in etwas besserer Auflösung anschauen.
Ein zweites, etwas weniger aufwendiges Promo-Video entstand relativ spontan und wurde am gleichen Tag noch gefilmt. Darin machten auch die Zürcher Nachwuchs-Streetrapper DVW, NAIJA03, Sic4rio, Pisko und Alvo03 ein Cameo. Ich bin sehr stolz auf die Zusammenarbeit und dankbar für Mc Heros Vertrauen in meine Idee.
(pru)
Meine Bekanntschaft mit Mc Hero entstand zufällig während meiner Arbeit für das LYRICS Magazin, als ich für die im gleichen Büro heimische Werbeagentur einsprang, um für ihn eine kurze Presse-Biografie zu schreiben. Bei der Recherche begann ich mich erstmals für seine Lebensgeschichte zu interessieren und war noch faszinierter als 2023 ein spannendes Portrait in der Republik-Zeitschrift erschien. Im Februar 2024 setzte ich mich erstmals an ein grösseres Projekt, als ich gemeinsam mit fünf anderen Mitstudierenden ein Portraitfilm für das Modul «Audiovisuelles Erzählen» drehen sollte. Hero nahm sich Zeit für ein Vorgespräch, in welchem wir die Outline für ein 10-minütiges Video präsentierten. Schliesslich entschied er sich aber, uns abzusagen: Er befand sich gerade in Verhandlungen mit einer führenden internationalen Video-Streaming-Plattform, die aus seinem Leben eine Doku drehen wollten. Somit fiel unsere damalige Idee ins Wasser und wir widmeten uns einer anderen Geschichte.
Der Prozess meines dritten Digezz-Projekts war von Blockaden und Krisen geplagt. Nachdem ein grösseres Projekt, welches ich mit LYRICS geplant und vorbereitet hatte, kurzfristig auf unbestimmt verschoben wurde, hatte ich nur noch drei Wochen vor Abgabe kein Projekt mehr. Zufällig erfuhr ich über Umwege, dass Mc Hero noch Promo-Material für seine Tour benötigt und ergriff erneut die Chance, ihm ein Konzept vorzuschlagen. Mir war es dabei sehr wichtig, Fokus auf Storytelling zu legen und die visuelle Welt von Mc Hero als Künstler zu komplementieren.
Der grosse Abgabenstress auf das Semesterende hin, ein Schicksalsschlag in meiner Familie und ein fieser Magendarm-Virus erschwerten die ganze Planungs- und Drehphase erheblich. Da ich eigentlich noch eine Woche meiner Weihnachtsferien in den Bergen war, kam ich unter grossen Zeitdruck. Wegen der erzwungenen Spontanität meines Projekts waren Mitte Dezember bereits alle Kameras über die Festtage ausgeliehen, die ich hätte verwenden wollen. Darum musste ich auf das Smart Production Set mit der sehr kompakten Vlogging-Kamera Sony ZV-1 ausweichen, die gar kein Objektiv hat und eigentlich völlig ungegeignet für ein solches Projekt und die cinematischen Ansprüche des Künstlers war. Wegen Problemen mit dem eingebauten Fokus und der Verarbeitung von Gegenlicht musste ich mehrmals (mit überraschend soliden Resultaten) auf mein iPhone 15 mit Filmic PRO ausweichen. Für das Handy konnte ich vorsorglich noch ein einfaches Rig auftreiben.
Die Planung umfasste ein Konzept, ein ganztägiges Location Scouting und daraufhin ein Drehplan mit Bildern der Locations. Das Skript für den gesprochenen Text erarbeitete Hero alleine nach einer gemeinsamen Absprache mit mir und wurde von ihm selbstständig im Studio aufgenommen. Alle Hyperlapses, Umgebungs-Shots, Szenen mit Hero und ein Grossteil des kürzeren Promovideos wurden alle an einem Tag abgedreht, für eine einzelne Szene im zweiten Video drehte ich noch ein weiteres Mal in Wiedikon. Das Filmen verlief bis auf eine kurze Begegnung mit der Polizei wegen unseren maskierten Nebendarstellern ohne Probleme.
Ich verlor zwei ganze Halbtage an aufgewendeter Zeit, um eine Störung von Adobe Premiere zu beheben, die sämtliche Projekte nicht lud. Nach dem ersten Halbtag blieb mir nach stundenlanger Recherche und zahllosen YouTube-Tutorials nichts mehr übrig, ausser das Programm zu deinstallieren und erneut zu installieren. Das löste die Probleme vorübergehend, bis sie ein Tag später wieder auftraten. Das Deinstallieren und eine weitere halbtägige Recherche halfen dieses Mal auch nicht. Die Lösung des Problems war es schliesslich, eine ältere Version von Premiere herunterzuladen und darauf zu arbeiten (Shoutout an Julia für die Idee, danke, danke, danke!). Bis heute fand ich keine Lösung für Adobe Premiere 2025. Gott sei Dank konnte ich den bisherigen Stand auf eine andere Version des Programms downgraden und endlich weiterarbeiten.
Im Schnitt stellte sich heraus, dass einige Shots der Sony ZV-1 überbelichtet und trotz tiefer ISO körnig worden waren, was auf dem winzigen Bildschirm der Kamera kaum zu erkennen gewesen war. Zum Glück liessen sich diese Fehler relativ gut durch meinen intendierten VHS-Look verstecken, der ebenfalls mit künstlicher Körnung und Lichtfragmenten spielte. Eine Super 8 Film-Border und Color Grading rettete die entsprechenden Shots, sodass ich sie doch verwenden konnte.
Mc Hero hatte sehr hohe Ansprüche an das Projekt, was angesichts meiner Situation, meinem Equipment und meinen bedingt weitreichenden Videografie-Kenntnissen als MMP-Student manchmal eine Herausforderung war. Nach der einen oder anderen stressigen Nachtschicht konnte ich aber das Projekt am Vortag der Abgabe fertigstellen, am Ende auch zu seiner Zufriedenheit. Im Anbetracht aller Schwierigkeiten, den eingeschränkten Mitteln und dem kurzen Zeitfenster habe ich grosse Freude am finalen Resultat und dass ich die Chance bekam, mit einem Künstler vom Kaliber eines Mc Hero so intensiv zusammenzuarbeiten.