Brassband-Theater «Im Dreiklang» – künstlerische Leitung, Regie und Drehbuch
360° Brass, ein Zusammenschluss dreier benachbarter Brassbands, stellte im November 2025 ein Brassband-Theater auf die Beine. Als «Art Director» durfte ich mich dabei künstlerisch austoben: Drehbuch schreiben, Regie führen und ein wenig unverhofft sogar noch die Hauptrolle spielen.
Im Frühling 2025 fand die Kickoff-Sitzung für das 360°-Brass-Projekt «Im Dreiklang» statt. Das dreiköpfige OK sass zusammen, bestimmte die Eckpfeiler, verteilte Rollen und Aufgaben für das umfangreiche Vorhaben. Für alles, was Geschichte und Inszenierung betraf, trug ich die Hauptverantwortung.
Konzeptionierung
Vom Verbandsvorstand der 360° Brass waren lediglich drei Dinge für das Projekt vorgegeben: Das Datum, der Ort und dass es sich um ein «Brassband-Theater» handeln musste – Theater und Musik sollten also ineinander fliessen. Der Rest des Konzepts war uns dreien als OK überlassen. In zahlreichen Sitzungen galt es folgende Eckpunkte abzustecken:
- Organisatorisches: Räumlichkeit, Festwirtschaft, Finanzielles, Technische Möglichkeiten, Marketing
- Storyline: Charakteren, Wendungen, Höhepunkt, Auflösung, Musik
- Gesamtinszenierung: Dekoration, Publikums-Guidance, Umrahmung
Nach jeder Sitzung kümmerte sich das einzelne OK-Mitglied um die detaillierte Ausarbeitung der gemachten Beschlüsse. In meinem Fall betraf dies als ersten Schritt das Drehbuch.
Drehbuch
Die Eckpunkte aus der Storyline galt es in einen Text «zu giessen». Die sechs Charakteren aus den drei «völlig fiktiven» Dörfern (Heckenau, Muttwilen und Pfann) und der Antagonist Jack Moon, von Donald Trump inspiriert, mussten mit Leben gefüllt werden. Dafür schrieb ich ein 10-seitiges Drehbuch.

Musikkonzept
Im zweiten Schritt ging es darum, die gewählte Musik-Literatur so in das Theater einzupflegen, dass es dramaturgisch Sinn machte. Dies geschah im engen Austausch mit unserem Dirigenten, Matthias Hasler. Dabei gab es einfachere Entscheide, zum Beispiel, welche Takte eines Stückes wir spielen würden. Im einen Stück wollten wir aber auch den Kampf der Liebe («Can you feel the love tonight») gegen das Böse («Star Wars March») symbolisieren. Um dafür eine passende Variante herauszufinden, nahm ich die Musik-Partituren und «Adobe Audition» zur Hand und probte an verschiedenen Möglichkeiten herum.
Für die unmissverständliche Kommunikation mit dem Dirigenten und später mit der Band setzte ich ein tabellarisches Musikkonzept auf.

Regie
Als persönliche Vorbereitung auf meine Aufgabe als Regisseur erstellte ich einen Regieplan, der nebst Drehbuch und Musik weitere Angaben, zum Beispiel technische Anweisungen, beinhaltete.

Als es an die Proben für «Im Dreiklang» ging, war ich gleich mehrfach gefordert: Ich wirkte musikalisch als Bb-Tubist mit, «durfte» aufgrund mangelnden Interesses meiner Gspänlis die Hauptrolle spielen und sollte nebenbei die ganze Chose auch noch als Regisseur koordinieren. Ich war froh, gab es in den Reihen der Band viele, die auf ganz positive Art «ihren Senf dazugaben» und so mithalfen, dem Stück eine Seele zu geben. Denn weiterhin gab es für mich als Regisseur Aufgaben organisatorischer Art, beispielsweise Requisitenmanagement.
Gesamtinszenierung
Unser Ziel als OK war es, dass sich das Publikum als Teil der Inszenierung fühlt, bereits mit der Ankunft im «Gruberhof» in die bevorstehende Geschichte eintaucht und sich fragt, was da auf sie zukommt. Dafür dekorierten wir den Saal in den drei Farben des Flyers, stellvertretend für die drei im Theater vorkommenden Dörfer. Zweites Amuse-Bouche war die Platzeinteilung. Wir nahmen die Besucher:innen in Empfang und gaben ihnen ihre «Adresse» bekannt, zum Beispiel: «Ihr wohnt im Chrottentobel 47 in Muttwilen.» Dank der Strassenschilder fanden sie so ihren Platz. Das letzte Goodie, das auf das Stück «gluschtig» machen sollte, war auf den Tischen verteilt. KI-generierte Postkarten-Motive der drei Dörfer, passend zu deren Charakteristik im Stück, konnten noch am gleichen Abend an Freunde, Familie, Bekannte versandt werden.










Klassischerweise gibt es bei einer Abendunterhaltung eines Musikvereins zur Pause eine Tombola. Das kommt bei den Leuten gut an und spült ganz schön Geld in die Kasse. Uns schien dies aber nicht passend für «Im Dreiklang». Trotzdem wollten wir ein bisschen einen «Thrill-Faktor» reinbringen, der nebenbei für uns auch finanziell interessant ist. So planten wir zur Pause ein Quiz, bei dem das Publikum den Ausgang der Geschichte raten konnte. Ein Tipp kostete fünf Franken und aus den korrekten losten wir am Ende fünf Gewinner aus. Nebst dem Thrill-Faktor war dies ein weiteres Element, welches das Publikum ein Stück weit in die Geschichte integrierte.
Video
360° Brass gibt es noch nicht so lange, erst seit Anfang 2024. Ausserdem ist der Verein bloss eine Art Dachverband aus bestehenden Musikvereinen. Dies macht es teilweise schwierig, an finanzielle Unterstützung zu kommen. Häufig ist das Argument, dass bereits die Trägervereine unterstützt werden und es unmöglich sei, auch noch dem Dachverband Sponsorengelder zufliessen zu lassen. Weil sich aus diesem Grund die klassischen Sponsoren (Gemeinden, lokale Unternehmen, Raiffeisen etc.) eher klamm zeigen, fragt 360° Brass vermehrt Stiftungen als potenzielle Geldgeber an. Mit Blick auf die Zukunft war es daher ein Anliegen, ein qualitativ anständiges Video von «Im Dreiklang» zu produzieren. So kann den Stiftungen gezeigt werden, wofür wir beispielsweise Geld benötigen.
Als Kamera- und Tonmann konnte ich @claudio-riz gewinnen. Er war bei der Hauptprobe dabei und organisierte das komplette Equipment. Das gedrehte Material schnitt ich mit «Adobe Premiere Pro» zusammen und achtete beim Color Grading darauf, dass die drei Farben schön zur Geltung kommen.
(vha)
Nachfolgend möchte ich einige Punkte des Projekts «Im Dreiklang» herausgreifen und analysieren, welches die gelungenen Aspekte sind und was ich / wir hätten besser machen können.
Stück
Die organische, aber ebenso kreative Zusammenarbeit im OK war die Grundlage für ein durch und durch gelungenes Drehbuch. Es hatte die richtige Balance zwischen «verständlich, aber nicht banal» und «tiefgründig, aber keine Philosophiestunde». Mir ist es gelungen, im Drehbuch viele aktuelle und relevante Themen aufzugreifen (Trump, PFAS, Fremdenhass, Mitläufertum etc.), sie so zu verpacken, dass ein direkter und für Eingeweihte nachvollziehbarer Bezug zu den echten Dörfer bestand (Muttwilen = Untereggen, Heckenau = Eggersriet, Pfann = Grub SG) und das Ganze mit einer Prise Humor und Spektakel zu servieren.
Regiearbeit
Die Regiearbeit hätte ich retrospektiv betrachtet besser anders gestaltet. Durch meine Mehrfachbelastung (musizieren, schauspielern, Regie führen) konnte ich meinen eigenen Ansprüchen an eine gute Regie nicht gerecht werden. Eine externe Person, die sich allein auf die Regie konzentriert hätte, hätte die nötigen Kapazitäten gehabt, das Stück mit kleinen Hinweisen und feinen Korrekturen während der Probearbeit auf ein sichtbar höheres Level zu hieven. Hier haben wir viel Potenzial verspielt.
Licht und Ton
Die Bedienung von Licht und Ton war eine One-Man-Show. Wie für gewöhnlich bei Abendunterhaltungen im Gruberhof nimmt sich dafür der Hallenverantwortliche Zeit. Er hat die technische Erfahrung, kennt die Gerätschaften bestens. Aber auch hier haben wir Potenzial verspielt. Der Job hätte auf zwei Personen aufgeteilt werden müssen, jeweils jemand für Licht und Ton. So wären lichttechnisch mehr Effekte möglich gewesen und die Fehlerquelle beim Ansteuern der Mikrofone wäre kleiner gewesen.
Aufführung
Es steckte so viel Arbeit, Zeit und Herzblut in «Im Dreiklang», da stellte sich unweigerlich die Frage: «Und jetzt führen wir es tatsächlich genau ein einziges Mal auf?» Genau darin sehe ich aber das grosse Plus. Im Wissen darum, dass der 15. November 2025 die einzige Chance darstellt, das Stück in seiner bestmöglichen Form auf den Boden zu bringen, brachten alle Beteiligten – der Cast an erster Stelle – die nötige Konzentration, aber auch die positive Aufregung für die Bestversion mit. Ich bin überzeugt, dies wäre nicht der Fall gewesen, hätte es zwei Aufführungen gegeben.
Gesamtinszenierung
Der Aufwand für die kleinen, feinen Mittel, die wir für die Gesamtinszenierung eingesetzt hatten (Farben, Adressen, Postkarten, Quiz), war überschaubar. Trotzdem verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Ich durfte den Besucher:innen höchstpersönlich ihre «Wohnadresse» mitteilen und konnte die amüsierte Überraschung bei den Leuten sehr gut feststellen. Das Learning hier einmal mehr: Wenn’s gut ist, muss es nicht gross sein.
Video
Dank Claudio Riz ist die Bildqualität des Videos sehr ansprechend. Nebst der feststehenden Kamera hinten im Saal eine freie Handkamera im Einsatz zu haben, war ein kluger Entscheid. Dass ein Kabel mitten im Bild hängt, ist schade, aber dieses rauszubringen, hätte einen übertriebenen Aufwand in der Postproduction bedeutet. Die Schnitte zur freien Kamera bringen eine gewisse Abwechslung, auch wenn das Video logischerweise das Live-Erlebnis niemals ersetzen kann.
Die Tonqualität ist leider eher auf der bescheidenen Seite. Für den Ton haben wir einzig ein Zoom H6 hinten in der Halle aufgestellt. Die Mikrofon-Töne der Schauspieler:innen konnten leider nicht direkt vom Mischpult abgenommen werden. Für ein adäquateres Sounderlebnis auch im Video wäre mehr Equipment nötig gewesen. Für die Musik hätten einige Chormikrofone im Saal aufgestellt werden müssen und die Schauspieler:innen hätten jeweils mit einem weiteren Mikrofon nur für das Video ausgestattet werden müssen.