BMG goes ESC

Mit viel Pomp, Glitzer, Glamour und einem unvorstellbar langen türkisen Teppich wurden am 11. Mai 2025 die ESC-Feierlichkeiten in der Host-City Basel eröffnet. Was viele jedoch nicht wissen: Bereits sieben Wochen zuvor, am 22. März, ging die erste Pre-Show für den Monster-Event im kleinen, beschaulichen Grub über die Bühne. Die Bürgermusik zelebrierte den Eurovision Song Contest an ihrem «Musigobig».

Wieder einmal ein Auftrag aus der Brassband-Szene. Der Nachbarsverein, in dem viele befreundete Musikant:innen mitspielen, plante seinen alljährlichen «Musiobig». Meine Wenigkeit wurde angefragt, bei der Konzipierung des Abends den kreativen Lead zu übernehmen und dann gleich auch die Show zu moderieren. Da der «Musigobig» sowieso eine Co-Produktion der Bürgermusik Grub und meines Vereins, der Bürgermusik Untereggen war, hatte ich schlechte Argumente für eine Absage.

Das Konzept

«Eurovision Song Contest» war als Motto des «Musigobigs» und auch das musikalische Programm stand schon, wobei die Reihenfolge der Stücke noch zu definieren war. Thematisch schon fast vorgegeben war dabei eine Zeitreise durch die ESC-Geschichte: Da musste ABBA sein, Nemo, Céline Dion usw. Aber zu fast jeder Blasmusik-Unterhaltung gehören noch eine etwas anspruchsvollere Konzertnummer, ein Marsch und (schön volkstümlich) eine Polka. Diese galt es so im Programm zu integrieren, dass das Motto «ESC» trotzdem stets präsent war.

Bei der Konzipierung des Abends versuchte ich mich mithilfe zweier BMG-Gspänlis an einem Spannungsbogen zu orientieren, genauso wie ich das an einem Workshop im Modul «Eventinszenierung» gelernt hatte.

Die Spannung steigt und es gibt immer wieder kleine Höhepunkte.
Quelle: Samuel Röthlisberger, F/E Motion

Als ersten kleinen Höhepunkt und als «Prolog» stellten wir eine Fotowand auf. Kleine Gadgets luden die ankommenden Gäste dazu ein, lustige Fotos zu machen.

Danach nahmen die Gäste ihre Plätze ein. Man kam ins Gespräch mit anderen Anwesenden, verköstigte sich an der Festwirtschaft. Die erste Spannung legte sich wieder. Pünktlich um halb acht startete dann das Konzert. Eröffnet mit der Eurovisions-Melodie (in unserem Fall: «Fanfare & Flourishes») setzten wir einen musikalischen Start- und Erwartungspunkt. Abwechselnd mit Moderationsteilen spielten wir bis zur Pause:

  • ABBA goes Brass
  • Conchita Wurst: Rise Like a Phoenix
  • Loreen: Euphoria
  • Emblem of the Army (Marsch)

Eine gute Unterhaltungsshow involviert das Publikum in einem ausgewogenen Ausmass. Es soll sich als Teil des Abends fühlen und sich dennoch nicht genötigt, etwas zu tun, das es nicht möchte. Dies nahmen wir uns zum Ziel: Am Ende des Konzert sollten die Besucher:innen voten können, welches ESC-Stück ihnen am besten gefallen hat und dieser «Siegersong» erklingt dann zum Abschluss in einer Kurzform noch einmal.

In der Pause setzten wir ein weiteres «Involvement»-, aber auch ein Stück weit ein «Risiko»-Element: Eine klassische, simple Tombola. Manchmal muss man das Rad nicht neu erfinden, um Spektakel zu generieren.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde, in welcher dem Publikum eine «Konzentrationsverschiebung» gegönnt wurde und Getränke nachbestellt werden konnten, startete der zweite Konzertblock:

  • Nightingale Dances (Konzert-Nummer)
  • Nemo: The Code
  • Céline Dion: Ne partez pas sans moi

«Ne partez pas sans moi» bildete den Abschluss der ESC-Songs. Als Moderator und Voting-Leiter eröffnete ich die Abstimmung. Wie beim echten ESC gab es vor dem Voting noch eine Compilation der fünf ESC-Songs. Ein Stück lang («Queen: Innuendo») hatte das Publikum danach Zeit, seinen Favoriten zu pushen. Darauf folgend hatte ich meinen kurzen Stress-Moment, denn es galt, in kürzestmöglicher Zeit all dies zu erledigen:

  1. Voting schliessen
  2. Daten aus dem Google-Sheet auswählen
  3. Datenreihe konvertieren
  4. Daten in «Flourish Studio» importieren
  5. Visualisierung bereitstellen

Da ich den Ablauf zuvor bereits einige Male mit fiktiven Daten geübt hatte und alle Tabellen bereits in einer praktikablen Form vorbereitet waren, gelang mir dies in etwas mehr als einer Minute. Währenddessen konnte der Präsident der BMG seine Verdankungen verlesen. Der Höhepunkt auf dem Spannungsbogen stand an: Welches wird der Siegersong? Dieser live erstellte Race-Chart lüftet das Geheimnis.

Die Kurzfassung von «ABBA goes Brass» und die obligate Polka «Augenblicke» als Zugabe bildeten den Abschluss der Show.

Die Effekte

Um dem «Gruberhof», einer klassischen Mehrzweckhalle, etwas ESC-Vibe zu verleihen, reicht Musik und Rahmenprogramm nicht aus. Etwas an Effekthascherei musste schon auch noch betrieben werden:

  • Lichtequipment
  • grosse Discokugel im Saal
  • Video-Eigenproduktion der BMG «Nemo reist per Autostopp an den Gruber ESC»
  • Musikant:innen verkleidet, unter anderem mit Nemo, Conchita Wurst, ABBA
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Die Moderation

Nebst dem «Verdankungs-Part» des Präsidenten lag es an mir, durch den Abend zu führen. Ich setzte mir dafür folgende Ziele:

  • Sei witzig, aber aber kein Comedian!
  • Rege zum Nachdenken an, aber sei nicht langweilig!
  • Spüre das Publikum!
  • Sei vorbereitet!

Den letzten Punkt nehme ich mir jeweils sehr zu Herzen. Ich schreibe alle Moderationen im Wortlaut auf und übe sie mehrmals vor dem Ernstfall. Das gibt mir Sicherheit und hilft mir, einen souveränen, befreiten und authentischen Auftritt hinzulegen.

(vha)

Unser Credo für den «Musigobig 2025» war: «Nüt verruckts, aber trotzdem guet!» Ich finde, wir sind dieser Richtlinie grösstenteils gerecht geworden und bin dementsprechend mit dem Ergebnis zufrieden. Auf einzelne Elemente möchte ich näher eingehen:

Spannungsbogen

Es war nicht die erste Abendunterhaltung, deren Konzept ich mitgestalten durfte. Dementsprechend waren mir viele Elemente, die man als Erfolgsgarant bezeichnen kann (z. B. Tombola) bekannt. Trotzdem war der Workshop bei Samuel Röthlisberger im Modul «Eventinszenierung» ein Stück weit ein Augenöffner, gerade bezüglich Spannungsbogen. Vieles, was man in Vergangenheit «halt einfach so gemacht hat», konnte ich nun nicht nur theoretisch verorten, sondern auch noch gezielter im Eventkonzept einsetzen. Beispielsweise war mir nicht bewusst, wie wichtig für das Publikum ein erstes kleines Highlight bei der Ankunft an einem Event ist. Mit dem Voting und dem animierten Race-Chart ist es uns meiner Meinung nach gelungen, einen für diesen Anlass perfekten Höhepunkt zu kreieren. Mit der Polka als Zugabe, bei der das Publikum immer so gerne mitklatscht, war da sogar noch ein kleiner «Nach-Höhepunkt».

Race-Chart

Der Race-Chart, den ich mithilfe von «Flourish Studio», einem Gratis-Tool, erstellt habe, war ein ganzes Stück Arbeit. Ich kannte Flourish zuvor nicht und musste mich dementsprechend zuerst auf die Suche nach einem Tool machen, das einen Race-Chart visualisieren kann. Einen Moment habe ich daran herumstudiert, dies selber mit JavaScript zu programmieren, bin dann aber glücklicherweise auf «Flourish Studio» gestossen. Danach galt es, das Tool kennenzulernen. Vieles war selbsterklärend, trotzdem musste ich mir das eine oder andere Tutorial anschauen.
Damit ich die Daten aus dem Voting richtig in Flourish übertragen konnte, musste ich zuerst das Antwort-Sheet in GoogleForms in die korrekte Form bringen. Für jeden Song brauchte es eine zusätzliche Spalte, die die einzelnen Votes aufkumuliert. Dieses Sheet konnte ich vorbereiten. Die nächste Herausforderung war formativer Natur. Im Google-Sheet werden die Daten vertikal aufgelistet, d. h. jeder Eintrag kommt auf eine neuen ZEILE. «Flourish Studio» jedoch arbeitet mit horizontalen Dateneinträgen, d. h. jeder neue Eintrag muss in eine neue SPALTE. Dieser Umstand machte einen Zwischenschritt notwendig. Ich musste die Spalten mit den aufkumulierten Votes via Excel in eine horizontale Form bringen, sodass ich diese dann ins Flourish übertragen konnte. Damit dies am Abend des Geschehens speditiv und korrekt vonstatten ging, war Einiges an Übung nötig.

Video

Die Eigenproduktion «Nemo reist an den Gruber ESC» kam, soweit ich das beurteilen kann, gut beim Publikum an. Das lag zu einem grossen Teil bestimmt daran, dass die Darsteller:innen den Gästen bekannt waren. Ich finde, das Video ist kein Ruhmesblatt. Mein Anteil am Video lag in der inhaltlichen Konzeption. Ich habe kein Drehbuch geschrieben, aber einen Vorschlag gemacht, was im Video passieren soll. Bei Dreh und Schnitt war ich nicht anwesend. Im Nachhinein wäre dies wahrscheinlich nicht die dümmste Idee gewesen, denn:

  • Der Ton ist sehr mangelhaft, die Dialoge teils kaum hörbar, vor allem zu Beginn
  • Das ausformulierte Drehbuch weist deutliche Schwächen auf, hat zu wenige Jokes
  • «I bi DÄ Nemo»: Nemo als non-binäre Person würde sich niemals als «DER NEMO» vorstellen. Bei einem Live-Auftritt darf das passieren, aber nicht in einem Video!
  • Der Schnitt wirkt sehr altbacken und besitzt wahnsinnige Längen

Meinen Qualitätsansprüchen an ein Video wurde diese Produktion nicht gerecht. Ich darf mich aber nicht beklagen, da ich mich zu wenig für ein gutes Resultat engagiert habe.

Moderation

Für meine Moderation am Musigobig durfte ich viel Lob entgegennehmen, wofür ich dankbar bin. Ich bin der Meinung, dass ich mit jedem Einsatz als Moderator an Auftrittskompetenz gewinne und dies macht mir grosse Freude. Mir geht es bei Moderationseinsätzen wie diesen nie darum, mich selbst zu inszenieren, sondern immer um die Sache und darum, gemeinsam einen guten Abend zu haben. Ich glaube, das spüren die Leute und das kommt gut an. Für mich ist es schön zu sehen, dass sich die intensive Vorbereitung auf eine Moderation auszahlt. Eine solche, auch wenn es gesamthaft nur fünf mal fünf Minuten sind, entsteht nicht in zwei Stunden. Ich schreibe den Text, den ich sagen will, überarbeite, schreibe den nächsten Text und so weiter. Und auch am Ende, wenn alles formuliert ist, überprüfe ich noch einmal, ob das alles wie aus einem Guss daher kommt.
Wie im Beitrag bereits erwähnt, übe ich die Moderationstexte vorgängig mehrfach. Niemals jedoch trage ich sie an einer Hauptprobe vor den Musikant:innen vor. So behalte ich das letzte, für mich entscheidende Stückchen Spannung auf. Wenn ich dann vors Publikum trete, weiss ich, dass noch niemand – ausser mir selbst – den Text gehört hat. Adrenalin in der perfekten Dosis.