Artfervor – zwischen Beton und Trümmern

Du bist jetzt schon eine Weile nicht mehr hier. Und ich habe mir oft überlegt, mit welchen Worten ich dir gegenübertreten würde, hätte ich die Chance. Eigentlich lagen sie mir immer auf der Zunge. Nur sie auszusprechen, fiel mir schwer.

Die Liebe; die stärkste Zuneigung und Wertschätzung, ein Ausdruck tiefer Verbundenheit. Die Liebe an sich ist rein. Es ist nie sie, die das Herz schmerzen lässt. Es sind die Begleiterscheinungen: Eifersucht, Wut, Angst.

Du wirst nicht zu mir zurückkehren, zumindest nicht in naher Zukunft. Und deshalb ist dies ein Versuch, meinen Kopf von all dem Ballast zu befreien. Ich will wieder mehr Wert sein als die Ergebnisse meiner Bemühungen. Möchte meiner Trauer Gehör verschaffen. Möchte dir meinen Dank aussprechen, dir Anerkennung geben, meine Bewunderung ausdrücken. Ich möchte, dass sich durch meine Texte unsere Herzen für einen kurzen Moment wieder ineinander verschlingen. Dann will ich loslassen.

ARTFERVOR ist für jene unter euch, die müde sind von all den pseudo-empathischen Verarbeitungstipps. Oder für die, die ganz am Anfang einer Trennung stehen, kurz nachdem alles in die Brüche ging. Meine Texte und Bilder sollen Gesellschaft leisten und Perspektive geben.

Für diejenigen, die ARTFERVOR lieber herunterladen oder gar ausdrucken wollen, gibt es hier das PDF.

Kopf hoch! Kleiner Tipp noch: Schreiben befreit!

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(ash)

Motivation

Das Schreiben begleitet mich schon mein Leben lang. Für mich ein wichtiges Ventil. Gerade in Zeiten des grossen Stresses wirkt das Schreiben wie Medizin. Verwunderlich also, dass ich auf Digezz nie ein Schreibprojekt veröffentlicht habe. Was immer mitspielt, ist die Angst, für meine Texte bewertet zu werden. Ich zweifle oft an meinem Geschriebenen. In diesem Semester aber überlegte ich mir ziemlich zu Beginn, dass es toll wäre, ein kleines Magazin oder Editorial oder wie auch immer zu lancieren. Ich dachte, die Arbeit würde mir sicherlich viel Freude bereiten. Und eine gute Übung, weniger kritisch gegenüber meinem kreativen Schaffen zu sein, wäre es auch.

Projektidee

Was mich schon lange beschäftigt, ist die Frage nach dem Glück. Was bedeutet es, glücklich zu sein? Wie definiert man Glück? Was heisst für Person A Glück, was für Person B? Lange ging ich diesem Thema nach, verfasste kurze Texte, Interpretationen mehrheitlich. Es wäre auch ein Projekt zum Thema Glück geworden, hätte sich nicht mein Gemütszustand so drastisch verändert. Ich durfte das Schönste, das es im Leben gibt, erfahren: die Liebe. Die Liebe war stets schön. Für mich bedeutete sie Glück. Optimal also. Doch was folgte, waren Misstrauen, Streitereien, Ängste. Alles Dinge, die das Vertrauen, das in der Liebe doch so essenziell ist, schmälern liessen. Bis irgendwann gar keines mehr da war. Die Liebe aber blieb. Wochen gingen vorbei, in denen ich nicht wusste, wie weiterfahren (auf das Leben und das Projekt bezogen). Schliesslich raffte ich mich an einem bewölkten Nachmittag auf und ging mit meiner Kamera in die Stadt. Ich hatte keine klare Vision vor Augen, was genau ich einfangen wollte. Stundenlanges Herumprobieren unterbrochen von einigen Weinanfällen, dann die Idee. Ich wollte Strassen, Gebäude, Läden und auch Kunstobjekte der Stadt St. Gallen auf einfallsreiche Art einfangen. Hauptsache anders. Im Vordergrund standen die Spiegelung sowie das Schatten- und Lichtspiel. Ich entdeckte die schönsten Sujets und empfand an diesem Nachmittag eine spezielle Verbundenheit mit meiner Umgebung. Ich sah mich beim Vorbeilaufen in allen möglichen Spiegeln. Bemerkte, wie müde und traurig ich doch aussah. Sah in meinen Augen, dass das Unverständnis gegenüber Vergangenem präsent war. In diesen eher pseudo-deepen Momenten kam mir die Idee, meine schmerzhafte Trennung im Rahmen eines Digezz-Projektes zu verarbeiten. Ich wollte niederschreiben, was sich in tiefster Seele verbirgt. Das, was ich selbst noch nicht begreifen konnte. Ich wollte Texte schreiben, die meinen Gemütszustand spiegeln. Die Idee sollte auch mit Bildern visualisiert werden und der ganzen Thematik so noch mehr Relevanz geben.

 

Herausforderungen

Zu den grössten Herausforderungen zählte auf jeden Fall mein instabiles Selbstvertrauen. Ich schrieb und verwarf, schrieb wieder und verwarf das Ganze endgültig. Bis ich zufrieden war mit einem Text, dauerte es eine Weile. Viele Gedanken haben es gar nicht erst in die Endfassung von ARTFERVOR geschafft. Immerhin habe ich sie, verteilt auf dutzende Word-Dateien, niedergeschrieben. Und auch jetzt sehe ich tausende Verbesserungsmöglichkeiten. Ich musste mir schliesslich eingestehen, dass vielleicht gerade die Unvollkommenheit das Ganze vollkommen macht.

Ich wusste schnell, dass ich im Indesign arbeiten will. Es gibt kaum ein Programm, das sich für die Produktion eines Magazins mehr eignet. Ich selbst bin eine begeisterte Printleserin. Deshalb stelle sich mir die Frage, wie ich das Magazin veröffentlichen würde. Ich wusste aber, dass ich vermutlich nicht darum herum kommen würde, das Produkt als PDF zur Verfügung zu stellen. Eine kurze Recherche brachte mich auf die Seite issuu. Ich fand die Idee toll, mein Projekt online zu publizieren und den Lesenden somit die Möglichkeit des «selber Blätterns» zu geben.

Im Vorfeld beschäftigte ich mich mit ausführlichen Recherchearbeiten. Ich wollte wissen, welche Schrift sich für meine Art von Text am besten eignet. Ich wollte wissen, wie in Bezug auf das Layout Einheitlichkeit und ein stabiles visuelles Erscheinungsbild erzeugt werden können. Das fertige Layout aber hat sich erst zum Schluss zusammengefügt, denn das Zusammenspiel zwischen Text- und Bildelementen musste auf mich wirken.

Die Idee für den Namen kam mir schnell. ARTFERVOR ist mein Lieblingswort. Ich weiss nicht einmal, ob es dieses Wort so gibt. Aber ART bedeutet Kunst und FERVOR so viel wie Leidenschaft oder Zuneigung. Das Wort Beton steht für die Fotos, das Wort Trümmer für mein Herz, oder besser meine Befindlichkeit (zumindest zu diesem Zeitpunkt).

Es wäre schwierig gewesen, die passenden Motive zu finden, hätte ich die Bilder nicht vor Entstehung der Idee geschossen. Die Bilder waren die Grundlage für meine Idee. Die Herausforderung aber war die Bearbeitung der Fotos. Ich wusste lange nicht, wie genau ich sie bearbeiten sollte. Das Endresultat ist mehr Zufall als Absicht. Ich habe stundenlang bearbeitet: Belichtungs-, Kontrast-, Sättigungs- und Farbtoneinstellungen ausprobiert. Das Resultat lässt sich sehen. Ein eigener Stil ist erkennbar, die tiefere Bedeutung ist ersichtlich. Jedes Bild vermag es, eine kraftvolle Aussage zu tätigen. Als Betrachterin empfinde ich eine gewisse Verbindung, sehe mich selbst darin.

 

Fazit

Wie immer kostete alles mehr Zeit, als man dafür einplant. In diesem Fall verdoppelte sich die eingeplante Zeit gar. Ein Problem, mit dem ich mich bei fast jeder Arbeit konfrontiert sehe, ist mein Drang nach Perfektion. Je länger ich mich mit meinen Werken beschäftige, desto mehr beginne ich, diese zu kritisieren oder gar zu verwerfen. Stunden gehen vorbei und ich schiebe die immer gleiche Textbox 2mm nach oben, nur um sie danach wieder nach unten zu ziehen. Vorteil meiner Pingeligkeit ist aber, dass ich mich nicht zufriedengebe, bis das Resultat meinen Wünschen gerecht wird. Das Layout entspricht genau meinen Vorstellungen. ARTFERVOR ist ein äusserst aufwendiges und zufriedenstellendes Projekt, bei dem ich viel lernen konnte. Ich weiss mehr über Schriftarten, habe mich über Gestaltungtechniken bei Magazinen informiert und hatte den Mut, ein eigenes Design zu kreieren. Das fertige Projekt ist eine Genugtuung für mich, ein fester Felsen, an dem ich mich immer wieder orientieren kann. Es hat sich als nützliche Medizin gegen Liebeskummer und all seine Begleiterscheinungen herausgestellt. Mein Kopf ist wieder freier. Alles, was ich sagen wollte, wurde nun gesagt. Meine Gedanken auf Papier: Schwarz auf Weiss.

Und zum Schluss: Ich habe Printmagazine immer bevorzugt, habe nur selten in Onlinepublikationen geblättert. Durch die Realisierung dieses Projekts entfachte sich eine Leidenschaft für die digitale Form.