Alain Bergset 2.0

Das Set in den Bündner Alpen geht in die zweite Runde: Vor rund einem Jahr, im ersten Lockdown, filmten wir das erste Bergset. Über die Pandemie sprechen möchten wir heute nicht mehr wirklich – ein DJ-Set in den Bergen filmen aber gerne nochmal. Mit Überraschungsgast, neuer Musik und schweren Rucksäcken noch höher hinauf: Alain Bergset zum zweiten.

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(ash)

Planung – grösser, höher, besser

Unser erstes Bergset zeichneten wir vor rund einem Jahr im ersten Lockdown auf. Die Idee war damals, den fehlenden Ausgang in den Bergen zu kompensieren. An der Party-Situation hat sich nichts geändert, weshalb wir uns für eine zweite Version entschieden. Im Gegensatz zum ersten Set wollten wir noch eines obendrauf setzen. Diese Zielstrebigkeit äusserte sich in vier Hauptpunkten:

1 Ästhetik
Schöner sollte das zweite Set werden. Mit dem ersten waren wir zwar mehrheitlich zufrieden, hatten aber im Schnitt oft zu wenig Auswahl. Unsere Lösung:  Mehr Kameras. Im ersten Sets arbeiteten wir mit fünf Kameras, im zweiten sollten es nun sieben werden. Mit den zusätzlichen Kamerawinkeln erhofften wir uns mehr Flexibilität im Schnitt. Auch sollten zwei Kameras für das Sammeln von B-Roll zuständig sein, damit wir für das Intro (den Aufstieg) mehr Material haben.

2 Geschichte und Location
Für die Einstiegssequenz bekamen wir beim ersten Set viel positives Feedback. Diesen Storytelling-Aspekt wollten wir mit einer längeren Aufstiegssequenz ausbauen. Höher in die Berge wollten wir dafür. Wir entschieden uns für einen Aussichtspunkt auf dem Gürgaletsch, mit knapp 2000 Höhenmetern fast doppelt so hoch wie das erste Bergset. Um im zweiten Teil des Sets noch etwas Spannung einzubauen, holten wir Mirko, befreundeten DJ ins Boot. Er würde die zweite Hälfte übernehmen.

3 Musik
Besser klingen sollte es auch. Beim ersten Bergset war die Musik-Auswahl, abgesehen vom Anfang, sehr improvisiert. Linus wollte bei diesem Mal eine konzeptuell spannenderes Set hinhauen. Dazu wurde über die Musik und mögliche Anfänge im Gruppenchat diskutiert, und verschiedenes ausprobiert. Experimentell sollte es in der ersten Hälfte werden, doch trotzdem mit dem Feel-Good-House-Vibe aus dem ersten Bergset. In der zweiten Hälfte sollte dann Mirko mit tiefen Bässen und rhythmischen Grooves übernehmen.

4 Crew
Unsere höheren Massstäbe waren mit einem grösseren Personalaufwand verbunden. Beim ersten Set noch zu viert, holten wir zusätzlich Jan ins Boot. Kurzfristig kam noch Patrick dazu. Somit hatten wir unseren Bedarf an zusätzlicher Crew gedeckt.

Umsetzung

Am Tag Null reisten wir um 13:00 ab. Postauto Richtung Tschiertschen, aussteigen bei Praden, alte Post. Nun standen uns rund 2 Stunden Wanderung bevor, mit der halben Technikausleihe auf dem Rücken. Kurz vor dem Gipfel dann eine unangenehme Überraschung: Es lag noch Schnee. Damit hatten wir nicht gerechnet, wir trugen zwar alle Wanderschuhe aber am Steilhang auf rund 30 Zentimeter Schnee fühlten wir uns nicht ganz wohl. Wir streckten die Köpfe zusammen: Sollten wir durchziehen und hoffen, dass niemand stürzt? Oder umkehren, und eine alternative Location suchen?

Knöcheltief im Schnee wurde hitzig diskutiert, die Gruppenmeinung war gespalten. Schlussendlich entschieden wir uns, die eigene Sicherheit nicht zu gefährden und umzukehren. Die Kameras liefen zu diesem Zeitpunkt bereits, die Odyssee war dokumentiert. Ziemlich ungewollt hatte unsere Geschichte vom Aufstieg eine neue Wendung genommen. Nun galt es, einen Kompromiss zu finden.

Etwas unterhalb der Schneegrenze fanden wir ein schönes Plätzchen. Die Lichtverhältnisse und die Aussicht waren nicht ganz so spektakulär wie erhofft, doch es musste reichen.

Shooting

Oben angekommen, drohte die Sonne bald schon hinter den Berggipfeln zu verschwinden. Tempo war angesagt. Soundcheck, Kameras aufbauen und synchronisieren, Fackeln in den Boden, Drohne flugbereit. Während dem Soundcheck fiel uns auf: Wir hatten die Kälte unterschätzt. Der noch volle Laptop-Akku entleerte sich vor unseren Augen im Minutentakt. Als Backup hatten wir einen zweiten Laptop dabei, doch der zweite hatte ähnlich mit der Kälte zu kämpfen. Kurz vor Drehbeginn wechselten wir auf den zweiten Laptop. Das hatte den Nachteil, dass die Audio-Einstellungen nicht mehr stimmten. Das führte dazu, dass das Signal auf den Boxen und den Kopfhörern nicht richtig ankam. Nach rund 45 Minuten gab der Laptop schlussendlich den Geist auf. Das Set, das ursprünglich eine Stunde lang hätte werden sollen, fiel somit deutlich kürzer aus.

Die Kameras filmten etwas unkoordiniert aus verschiedenen Winkeln. Eine Kamera war auf dem Stativ als Master-Shot, eine mobil auf dem Gimbal für Closeups, eine schoss aus der Ferne von einem Einbein. Die verbliebenen zwei Kameras sammelten parallel B-Roll.

Postproduktion

Aufgrund der vielen Kameras und der schieren Menge an Footage, gestaltete sich die Postproduktion als sehr aufwendig. Luc und Dominic stemmten hier den Löwenanteil, Linus half beim Sortieren der über 150 Clips für das Intro mit und Linus polierte das Sounddesign des Intros. Auch dieses Mal hatten wir zu wenig Auswahl im Schnitt, viele Aufnahmen waren unbrauchbar, da oft Kameraleute im Bild waren. Ganz am Anfang der Aufzeichnung passierte in der Musik ein Fehler im Übergang. Dieser musste ebenfalls ausgebessert werden.

Abreise

Um 21:00 hatten wir unseren Wrap. Nun hiess es packen und schnellstmöglich absteigen. Um 22:30 fuhr nämlich der letzte Bus nach Chur. Wir schafften es pünktlich an die Bushaltestelle und mussten sogar noch ziemlich lange warten. Doch auch nach längerer Wartezeit kam einfach kein Bus. Ein freundlicher Anwohner informierte uns, dass um diese Uhrzeit nur noch das Bustaxi fahren würde, welches man frühzeitig bestellen muss. Etwas verzweifelt riefen wir nun einem Taxidienst an, welcher uns mit abenteuerlicher Geschwindigkeit zurück ins Tal katapultierte.

Learnings

1 Grössere Crews bedeuten mehr Koordination

Wie beim ersten Set waren wir etwas unkoordiniert, nun waren wir aber eine deutlich grössere Gruppe. Mehr Leute heisst auch immer mehr potenzielle Organisationsaufwand. Für ein nächstes Mal würden wir die Rollen der verschiedenen Kameras und deren Bewegungen besser koordinieren. Allenfalls wäre es sinnvoll, beim nächsten Mal eine Aufnahmeleitung zu bestimmen, die die Koordination der verschiedenen Cams übernimmt und überprüft,  wer wo im Bild ist. Auch im Vorfeld waren die Rollen eher diffus – Es war nie ganz klar, wer sich um was kümmert. Eine klassische Rollenaufteilung wie an einem Filmset hätte vermutlich auch nicht funktioniert, doch für ein nächstes Mal wäre eine klarere Rollenverteilung sicher hilfreich.

2 Sich nicht auf Akkus verlassen

Beim ersten Set hat es mit den Laptop-Akkus funktioniert, dieses Mal nicht. Für ein nächstes Mal würden wir definitiv auf sicherere Stromversorgung organisieren – Eine Powerbank oder eine Batterie, ab der man den Laptop betreiben kann.

3 Locations vorher unbedingt besuchen

Wenn wir die Location vorher gescoutet hätten, hätten wir gewusst, dass der Schnee ein Problem wird. Punkt. Die Umsetzung war wie beim ersten Set eher spontan, daher verzeihen wir uns diesen Fehler.  Da wir aber grössere Erwartungen und eine grössere Crew hatten, hätten wir entsprechend vorausplanen müssen. Die Kompromiss-Location war in Ordnung, aber auch nicht viel mehr. Für ein nächstes Mal würden wir sicher vorher die Wanderung einmal machen, um nicht wieder im Schnee stecken zu bleiben.

4 Mehr Kameras heisst nicht zwingend mehr gut

Optisch gefällt uns das zweite Bergset besser. Insgesamt wirkt es aber ein wenig weniger kohärent wie das erste, die verschiedenen Kamerawinkel hätten wir vorher genauer definieren und planen können.

Fazit

Dass wir Spass hatten, sieht man hoffentlich. Unser Fazit ist ziemlich klassisch Digezz: Mehr Planung. Der nicht fahrende Bus, die unerreichbare Location, die unbrauchbaren Shots – Sie hätten vermieden werden können.

Technisches für Nerds

Kameras:

  • 3x Sony A7iii
  • Sony a6500
  • 2x GoPro
  • Mavic 2 Pro

Dateien und Post:

  • Aufgezeichnet in 4K 25 fps
  • Geschnitten in einer Multi-Cam-Sequence in Premiere Pro
  • Exportiert in FullHD, 24-bit h.264

Stative und Grip:

  • 1x Manfrotto Dreibein
  • 1x Monopod
  • 1x DJi Ronin-S

DJ-Setup:

  • Pioneer DDJ-400
  • 2 Macbooks
  • Software: rekordbox 6