Unseen

Zwischenbericht: Unser Animationsfilmprojekt – Halbzeit!

Ein halbes Jahr ist vergangen seit wir, eine fünfköpfige Gruppe von MMP-Student*innen, uns auf ein ehrgeiziges Projekt eingelassen haben: die Produktion eines animierten Kurzfilms über zwei Semester hinweg. Jetzt, zur Halbzeit, möchten wir euch einen Einblick in unsere bisherige Arbeit, unsere Fortschritte und die Herausforderungen geben, denen wir uns gestellt haben.

Ein Hybrid-Stil: Inspiriert von Arcane und Spider-Verse

Von Anfang an war klar: Wir wollten einen visuellen Stil, der Grenzen sprengt. Inspiriert von Meisterwerken wie «Arcane» und «Spider-Man: Into the Spider-Verse» haben wir uns für einen Hybrid-Stil entschieden. Das bedeutet, wir kombinieren 3D-modellierte und animierte Charaktere und Umgebungen mit 2D-handgezeichneten Texturen und Effekten.

Was heisst das genau? Im Kern erstellen wir unsere Charaktere und Sets in 3D-Software – das gibt uns die Präzision und Flexibilität der dreidimensionalen Welt für Kamerafahrten und räumliche Tiefe. Anschliessend werden diese 3D-Modelle mit handgezeichneten 2D-Texturen belegt. Das verleiht ihnen eine einzigartige, malerische Ästhetik, die oft an Comicbücher oder traditionelle Animation erinnert. Auch Effekte wie Rauch, Explosionen oder Wasserspritzer werden von Hand in 2D gezeichnet und dann in die 3D-Szene integriert, um einen kohärenten und dynamischen Look zu erzeugen, der die Grenzen zwischen 2D und 3D verschwimmen lässt. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, die Detailtiefe von 3D mit der künstlerischen Ausdruckskraft von 2D zu vereinen.

Artstyle-Entwicklung

Früh im Prozess haben wir uns auf eine visuelle Stilrichtung geeinigt, welche die düstere und mysteriöse Atmosphäre der Handlung unterstützt. Der Artstyle ist geprägt von dunklen Farbpaletten, starken Kontrasten und einem gewissen Grad an Textur-Noise, der sowohl Analogität als auch handwerkliche Detailverliebtheit vermittelt. Erste visuelle Studien und Styleframes sind im Verlauf des Blogposts eingebettet und geben Einblick in unsere visuelle Sprache.

Story & Setting

Inhaltlich haben wir uns für einen erzählerisch und atmosphärisch dichten Ansatz entschieden. Der Kurzfilm spielt auf einer verlassenen Ölbohrplattform, mitten im Ozean. Zwei Arbeitskollegen folgen einer unerklärlichen Störung im System – und entdecken dabei Hinweise auf übernatürliche Phänomene. Der Schauplatz ist dabei mehr als bloss Kulisse: Er ist zentraler Bestandteil der Dramaturgie, Symbolträger für Isolation, technologische Überreste und menschliche Hybris.

Wir setzen auf ein reduziertes Figurenensemble, um die emotionale Tiefe der Hauptcharaktere herauszuarbeiten und die narrative Spannung zu verdichten. Die Kombination aus psychologischem Kammerspiel und übernatürlicher Bedrohung erlauben es uns, mit bildsprachlichen Mitteln zu arbeiten, die subtil und verstörend zugleich sind.

Teamstruktur & Organisation

Ein Projekt dieser Grössenordnung verlangt nicht nur kreatives Gespür, sondern auch klare Strukturen und effiziente Zusammenarbeit. Daher haben wir uns von Beginn an intensiv mit unserer Teamorganisation auseinandergesetzt. Unser Workflow basiert auf einer modular aufgebauten Ordnerstruktur, einem durchdachten Benennungssystem für Dateien sowie der konsequenten Nutzung von Versionierungstools und Cloud-Diensten.

Das Team ist in zwei Subgruppen organisiert:

Team 3D (Steve & Paul): verantwortlich für die komplette 3D-Pipeline – vom Modeling über Rigging bis zur finalen Animation. Dazu gehört auch die technische Betreuung der Renderprozesse und der Szenenaufbauten. Zudem sind sie verantwortlich für Organisation und Planung.

Team 2D (Jazz, Hanna & Stef): zuständig für alle zeichnerischen Aufgaben wie Texturdesign, Concept Art, Hintergründe und 2D-Effekte. Zudem trägt dieses Team auch die Verantwortung für die Ausarbeitung von Story, Dialogen und visuellem Worldbuilding.

Diese klare Aufgabentrennung erlaubt es uns, parallel an mehreren Teilbereichen zu arbeiten, ohne Reibungsverluste zu riskieren. Gleichzeitig sorgen wöchentliche Team-Meetings und gemeinsame Review-Sessions für einen kontinuierlichen Abgleich und kreative Synergien.

Unser kreativer Prozess: Von der Idee zur Umsetzung

Geschichte entwickeln

Der Grundstein unseres Films wurde in intensiven Brainstorming-Sessions gelegt. Zunächst setzten wir uns als fünfköpfiges Team zusammen und diskutierten unsere Vorstellungen für die Geschichte. Dabei definierten wir nicht nur unsere kreativen Ambitionen, sondern auch die technischen Limitierungen und was in der uns zur Verfügung stehenden Zeit realistisch umsetzbar ist.

Nach dieser ersten Orientierung erhielt jedes Teammitglied eine Woche Zeit, um individuelle Konzepte zu entwickeln – kurze, prägnante Ideen, die unseren zuvor festgelegten Rahmen respektierten. Diese fünf unterschiedlichen Ansätze wurden anschliessend gemeinsam besprochen, bewertet und diskutiert. Aus diesem demokratischen Prozess ging ein Favorit hervor, der als Grundlage für unsere weitere Arbeit diente. Auf Basis dieses ausgewählten Konzepts entwickelten wir gemeinsam die finale Geschichte und verschriftlichten sie in einem detaillierten Treatment.

Storyboard: Die erste visuelle Sprache

Mit der Geschichte als Fundament wagten wir uns an die erste visuelle Umsetzung. Das Storyboard entstand als direkter Nachfolger unseres schriftlichen Treatments und verwandelte die erzählerischen Ideen in eine konkrete, bildliche Abfolge. Dieser Prozess war alles andere als linear – das erste Storyboard wurde intensiv in der Gruppe besprochen, hinterfragt und mehrfach angepasst.

Parallel zu dieser visuellen Planung begann das 2D-Team bereits mit den ersten Experimenten zum Artstyle. Diese frühe Beschäftigung mit der visuellen Sprache erwies sich als äusserst wertvoll, da sie das Storyboard und die Stilentwicklung organisch miteinander verknüpfte.

Hard Surface Modeling: Räume zum Leben erwecken

Sobald die räumlichen Gegebenheiten unserer Geschichte feststanden, war es Zeit für die dreidimensionale Umsetzung. Das Hard Surface Modeling – die Erstellung der technischen, geometrischen Umgebungen – bildete das Rückgrat unserer visuellen Welt. Hier zeigt sich besonders die Komplexität unseres Schauplatzes: Eine verlassene Ölbohrplattform verlangt nach detaillierten, industriellen Strukturen, die sowohl technische Präzision als auch atmosphärische Dichte vermitteln müssen.

Technische Innovation: Motion Capture als Gamechanger

Ein entscheidender Meilenstein unseres Projekts war die Implementierung von Motion Capture-Technologie. Da die händische Animation aller Charakterbewegungen den Rahmen unseres Projekts gesprengt hätte, suchten wir nach einer effizienteren Lösung. Motion Capture – die Aufzeichnung realer Körperbewegungen mittels Sensoren und Kameras – ermöglicht es uns, natürliche, nuancierte Bewegungen zu erfassen und diese direkt auf unsere 3D-Charaktere zu übertragen.

Für unsere Tests erhielten wir von Jan Fliess Orbbec-Femto-Kameras, mit denen wir die Machbarkeit und Qualität dieser Technik evaluieren konnten. Für die finalen Aufnahmen steht uns in Chur ein professionelles Setup mit mehreren dieser Kameras zur Verfügung, das uns hochauflösende, präzise Motion-Capture-Daten liefern wird.

Meilensteine & Ausblick

Da der Arbeitsumfang unser Semesterpensum übersteigt, haben wir das Projekt bewusst auf zwei Semester ausgelegt. Die Zielsetzung für das erste Semester lautete:

  • Vollständige Konzeption der Story, des Artstyles und der visuellen Welt
  • Modellierung sämtlicher 3D-Assets (Charaktere, Umgebungselemente, Props)
  • Beginn der Texturproduktion sowie Entwicklung erster 2D-Effekte

Im kommenden zweiten Semester werden sich die Schwerpunkte verschieben:

Team 3D wird sich voll auf die Animation der Szenen und Charaktere konzentrieren – inklusive Kameraarbeit, Lichtsetzung und Render-Management.

Team 2D fokussiert sich auf die Fertigstellung aller texturierten Oberflächen, das finale Compositing der Effekte sowie auf die grafische Postproduktion.

Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserem hybriden Ansatz ein hohes Mass an Aufwand und Koordination auf uns nehmen. Doch gerade in der Kombination aus technischer Herausforderung, erzählerischer Tiefe und gestalterischem Anspruch liegt für uns der Reiz dieses Projekts. Die bisherige Arbeit hat gezeigt, dass unser ambitionierter Zeitplan durchaus realistisch ist – und dass die Qualität unserer Vorabeit eine solide Grundlage für die kommende Animationsphase bildet.

Wir freuen uns darauf, im nächsten Semester in die Animationsphase einzutauchen – und unseren Kurzfilm zum Leben zu erwecken. Die Reise von der ersten Idee bis zum fertigen Film ist lang und herausfordernd, aber jeder Schritt bringt uns näher zu unserem Ziel: ein Animationsfilm, der die Grenzen zwischen 2D und 3D nicht nur technisch, sondern auch erzählerisch neu definiert.

(vha)

Trotz aller Erfolge blieb unser Projektweg nicht ohne Stolpersteine. Die ambitionierte Kombination aus 2D- und 3D-Elementen erwies sich zeitweise als koordinative Herausforderung – insbesondere die Abstimmung zwischen den beiden Teams erforderte mehr Kommunikationsaufwand als ursprünglich eingeplant. Technische Kompatibilitätsprobleme zwischen verschiedenen Softwarelösungen kosteten uns wertvolle Zeit, und die Komplexität des Motion Capture-Workflows stellte uns vor unerwartete Hürden. Zudem unterschätzten wir anfangs den Zeitaufwand für die Texturierung der 3D-Modelle, was zu Verzögerungen in der Pipeline führte. Diese Erfahrungen haben uns jedoch gelehrt, realistische Zeitpuffer einzuplanen und die Wichtigkeit regelmässiger technischer Tests nicht zu unterschätzen.