So bereitet ein Bestatter die Verstorbenen für ihre letzte Ruhestätte vor

Das Bestattungsunternehmen Caprez begleitet jedes Jahr 700 Verstorbene bei ihrem letzten Weg. David Naef gewährt uns einen Einblick in die Räumlichkeiten und zeigt, wie er arbeitet.

Ich habe mir ein Bestattungsunternehmen immer sehr düster und unheimlich vorgestellt. Viel Schwarz, viele christliche Symbole, alles in allem: ein Ort der Traurigkeit. Mit diesem Bild gehe ich zum Bestattungsunternehmen in der Altstadt Churs. Als ich die Tür öffne, wird meine Erwartung nicht wirklich bestätigt. Ja, da hängt zwar ein Kreuz, ansonsten ist der Eingang aber sehr hell. Links steht eine alte Werkbank und darauf eine Urne. Der Name des Verstorbenen steht auf einer Tafel. Ich empfinde sofort Mitleid mit den Angehörigen, obwohl ich den Verstorbenen nicht kenne.

Dieser persönliche Touch scheint David Naef, dem Geschäftsführer wichtig zu sein. Er will mir zuerst die Aufbahrung zeigen. Neben dem Eingang steht wiederum eine Buchstabentafel mit dem Namen. Ich werde also gleich Marianne* begegnen. David stellt die Bedingung, dass bei der Führung keine Fotos von Verstorbenen gemacht werden. Nur falls Du Dich wunderst, warum es keine Bilder dazu gibt.

Die Aufbahrung

Ich betrete das Zimmer. Ein beklemmendes Gefühl macht sich in mir breit. Da liegt sie. Ohne jede Regung, wie eine Wachsfigur. Ich warte darauf, dass sich ihre Brust wegen der Atmung hebt oder sie ihre Hand bewegt. Doch da passiert nichts. Dieses Bild ist so ungewohnt für mich, dass ich damit nicht so recht klarkomme. David bittet mich, näher zu kommen. In mir sträubt sich alles, doch ich trete drei Schritte vor. «Sie liegt so friedlich da. Ihre Enkelin hat ihr gestern noch eine Zeichnung mitgegeben», erzählt David. Marianne hält sie in der Hand wie eine Rose.

Diesen Raum können Angehörige mieten, um so noch einmal Abschied nehmen zu können. Der Tod von Marianne sei unerwartet gekommen. Um Mitternacht hat er sie Zuhause geholt und nach Chur gebracht. Sie ist ungefähr 40 Jahre alt, mehr kann oder will mir David nicht zu ihr sagen.

Ich möchte so schnell wie möglich aus dem Raum. Auch wenn ich Marianne nicht kenne, möchte ich das Thema Tod schnell wieder verdrängen. Im Raum riecht es nach Holz. Eine Kühlplatte unter Marianne sorgt dafür, dass sie bis zur Beerdigung hier liegen bleiben kann. David geht ganz gelassen damit (oder besser gesagt: mit ihr) um. Für ihn ist das Alltag, für mich nicht. Ich bin froh als wir den Raum verlassen. Wir gehen weiter in den unteren Stock. Ich gehe zaghaft, in jedem Raum erwarte ich etwas Unerwartetes. Irgendetwas, was mich erschreckt.

Hier sieht es ein wenig unheimlich aus. Die Räume zeugen von der langen Tradition des Unternehmens. Vor 63 Jahren lieferte das ursprüngliche Schreinerunternehmen den ersten Sarg für Chur. Damals hievten sie die Särge noch auf einen Anhänger und transportierten sie zu Fuss. Seither hat sich viel geändert. Schon lange stellen sie keine Särge mehr her, sondern kaufen sie ein.

Im Untergeschoss sind einige Modelle ausgestellt. Die Preise reichen von 700 bis 2500 Franken, wobei die Grenze nach oben natürlich offen sei. Dieses Bild schockiert mich nicht wirklich, damit habe ich gerechnet. Als ich aber die Särge in Miniaturform sehe, stockt mein Atem. Da liegen sie in einem Regal, nur gerade 50 Zentimeter lang in verschiedenen Ausstattungen. Ich möchte ganz schnell weitergehen.

Neben den Särgen entdecke ich Fitnessgeräte. David lacht und muss zugeben, dass diese nicht so häufig im Einsatz sind. Weiter geht die Führung im untersten Stock. Hier steht die Werkbank, an der David die Kreuze beschriftet und gestaltet. Diese kommen nachher auf den Friedhof. Im hintersten Raum stehen acht vorbereitete Särge, die bereits mit Stoff ausgekleidet sind. «Wenn es schnell gehen muss», kommentiert David.

Im garageähnlichen Raum stehen zwei Bestattungsfahrzeuge mit 4x4. Das sei wichtig im Kanton Graubünden. Ihr Einsatzgebiet ist in Chur und Umgebung. Sie fahren also nicht bis ins hinterste Dorf im Engadin, das übernehmen lokale Bestatter. Die Firma Caprez überführe rund die Hälfte aller Verstorbenen im Kanton.
Neben den Autos steht ein mit Vorhängen abgetrennter Waschraum. Hier bereitet er die Toten vor. David wäscht sie, kämmt ihnen die Haare und deckt Flecken auf der Haut mit Make-Up ab. Alle Utensilien sind im Einsatzkoffer. «Ich will keinesfalls eine Frau nachschminken wie zu Lebzeiten. Das geht immer schief.» Grüne Farbe braucht er für rote Verfärbungen. Wenn eine Person stirbt, fliesst das Blut, wohin die Schwerkraft es zieht. Stirbt jemand also auf dem Gesicht, kann er diese roten Flecken überschminken. Die purpurne Farbe braucht er für grüne Verfärbungen. Diese gäbe es vor allem um die Mundregion.
«Wir sind eigentlich gekleidet wie Banker, arbeiten aber wie Handwerker», so beschreibt David das Dilemma. Er sei immer schick gekleidet. Das sei vom Bestatter auch erwartet. Während der Führung im Waschraum, höre ich plötzlich ein Geräusch nebenan und drehe mich um. David lacht: «Das ist unser Geist hier». Ich lache mit ihm, bin aber doch froh, wenn ich aus dem Keller wieder raus bin. Auch wenn meine anfänglichen Erwartungen überhaupt nicht erfüllt wurden, geht von diesem Ort eine seltsame Ausstrahlung aus. Nicht negativ, aber doch ungewohnt. Insgeheim bin ich froh, dass für mich der Tod nicht zum Alltag gehört.

*Name geändert

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