Gewalt an Frauen im Kanton Thurgau

Gewalt an Frauen. Geschlechtsspezifische Gewalt. Femizid. Begriffe, die wir alle kennen. Doch was, wenn ein mutmasslicher Femizid praktisch vor deiner Haustüre geschieht? Eine politische Einordnung fehlt, denn die mediale Antwort darauf ist, wie sonst auch, reisserisch und nicht kontextualisiert.

Genau diesem Defizit möchte ich entgegenwirken und habe mir die Frage gestellt: Wie steht es um den Schutz der Frauen bei uns im Kanton Thurgau, der eher als ländlicher und konservativer Kanton gilt?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich eine gründliche Recherche gestartet. Ich sprach mit den Politikerinnen Sandrine Nikolic-Fuss (Kantonsrätin TG, SP), Flavia Scheiwiller (Präsidentin Die Junge Mitte Thurgau) und Stephanie Eberle (Kantonsrätin TG, SVP), um die politische Situation besser einfangen zu können. Welche Bedeutung tragen die verschiedenen Parteien der Thurgauer Politiklandschaft dem Thema «Gewalt an Frauen» zu? Wie sichtbar ist das Thema überhaupt?

Ebenfalls durfte ich mit Eva Wechsler, Sozialarbeiterin bei der Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen Thurgau darüber sprechen, wie die Auslastung ist und ob sie sich vom Kanton genug unterstützt fühlen. Auch Annina Villiger und Daniela Giovanelli von der Frauenzentrale Thurgau sowie die Kantonspolizei Thurgau waren offen für meine Fragen.

Daraus entstanden ist ein Feature, dass die Situation für gewaltbetroffene Frauen aufarbeitet.
Hier kannst du es lesen: Gewalt an Frauen im Thurgau – Eine Bestandesaufnahme


Für besonders Interessierte gibt es hier drei der Interviews zum Nachlesen:
Eva Wechsler, Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen: Sofortige Hilfe? Erstmal ist Geduld gefragt
Sandrine Nikolic-Fuss, Kantonsrätin SP Thurgau: «Gewalt an Frauen ist kein Einzelfall – sondern ein
Systemversagen»

Stephanie Eberle, Kantonsrätin SVP Thurgau: «Wir brauchen Zivilcourage statt Symbolpolitik»

(vha)

Idee:
Ich arbeite schon seit etwa zwei Jahren bei einer kleinen Regionalzeitung. Diese Recherche war meine erste «aufwendigere» Arbeit, die auch (in gekürzter Fassung dann), in dieser Zeitung erscheinen wird.  Anfangs April wurde eine Frau bei uns im Quartier ermordet. Ich kannte sie und die Kinder von früher. Meine Familie und ich waren entsetzt und stellten uns die Frage: Wie konnte das passieren? Wie steht es um Frauen im Kanton Thurgau? Das mediale Echo war meiner Meinung nach eher dürftig. Es wurde oberflächlich berichtet, keine Zahlen, kein Kontext. Das wollte ich definitiv ändern. Ich wollte herausfinden, wo der Kanton Thurgau steht.

Herausforderungen:
Schon im Major Journalismus Multimedial wurden wir gewarnt, dass Themen, die einem politisch interessieren, eher schwierig zum bearbeiten sind. Während dem Schreiben fiel es mir daher manchmal schwer herauszufinden, was denn nun wirklich eher objektiv ist, oder wo meine Meinung durchdrückt. Da mir eine meine Interviewpersonen mitteilte. dass Femizid ein ideologisch gefärbter Begriff sei, war es nochmals schwieriger, ein richtiges Mass zu finden. Da ich als Textstil ein Feature gewählt habe, schien es mir dann doch vertretbar zu sein, diesen Begriff eben doch zu verwenden.

Als junge Frau, die schon erfahren hat, dass Gleichstellung definitiv nicht erreicht ist, war es auch schwierig, ein Interview darüber mit einer Person zu führen die sagt, dass Gleichstellung eigentlich schon erreicht ist. Auch gab es in anderen Interviews Meinungen, die mir persönlich nicht richtig erschienen. Hier war es eine sehr gute Übung für mich, meine Überzeugungen und Meinungen zurückzustecken und im Dienste der Öffentlichkeitsarbeit die momentane Lage abzubilden.

Das lief gut:
Da ich mir viel Gedanken über einen guten Workflow gemacht habe, ging dieser dementsprechend gut. Ich habe zuerst alle Interviews durchgeführt, transkribiert und die wichtigsten Sachen herausgenommen. Danach habe ich eine Struktur erstellt und alle wichtigen Rechercheinformationen in diesem Dokument gesammelt. Als letzten Schritt habe ich diese Informationen zu einem Text zusammengeschrieben. Diesen Workflow würde ich definitiv wiederholen.

Ich hatte dankbarerweise sehr gute Interviewpartnerinnen, die ihr Wissen grosszügig mit mir teilten. Auch die Kantonspolizei gab mir sehr ausführlich Auskunft. So hatte ich super Grundlagen und kannte die meist diskutierten Punkte im Kanton sehr schnell.