Einen Chor choreografieren

Noten Carmina Burana

Im September 2021 stand ich zusammen mit hundert anderen Chorsängerinnen und Chorsängern auf der Bühne des Stadttheaters Schaffhausen und sang die Carmina Burana von Carl Orff. Doch damit es so weit kommen konnte, war enorm viel Organisation, Energie und zahlreiche Proben nötig. Als Hilfe dabei: ein paar Zeichnungen.

Wer schon einmal ein klassisches Chorkonzert gesehen hat, stellt sich sich diese Aufführung wie folgt vor: Es gibt eine Bühne. Auf der Bühne steht der Dirigent mit dem Rücken zum Publikum und vor ihm steht der Chor in steifer Formation, den Blick nach vorne gerichtet und nichts anderes im Sinne, als die hochstehende Musik, die da wiedergegeben wird. Kurz gesagt: Chorkonzerte, oder so ist die weit verbreitete Meinung, sind etwas für die Ohren und nicht für die Augen.

Szenische Aufführungen

Es gibt aber durchaus Choraufführungen, wo auch die Augen geniessen können. Diese nennt man szenisch. Szenisch kann bedeuten, dass Theater gespielt wird, Dialoge geführt werden, oder dass der Chor als grosse Menschenmasse selber als Gestaltungselement eingesetzt wird. Gestalten kann man anhand von Kostümen, Kleidern in bestimmten Farben, Bewegungen, aber auch Stimmungen, Gesichtsausdrücken und Körperhaltungen. Daduch, dass hunderte Menschen das Gleiche machen, werden auch kleine Bewegungen und Haltungsveränderungen verstärkt und fürs Publikum wahrnehmbar. Unsere Aufführung vom vergangenen September war eine solche szenische Aufführung.

Proben zeichnen

Das klingt jetzt vielleicht alles ziemlich simpel. Man stelle sich aber vor, welche Arbeit es ist, mit über hundert Personen diese szenischen Elemente zu proben. Alleine bis alle einander hören können, geschweige denn dasselbe unter den jeweiligen Anweisungen verstehen, braucht es ziemlich viel Arbeit.

Während der Intensivprobephase stellte sich heraus, dass ein Probeprotokoll sinnvoll wäre. Ich erhielt den Auftrag, während der Proben immer wieder Fotos von den verschiedenen Situationen und Aufstellungen zu machen. Zuhause fügte ich die Fotos schliesslich zu einem Protokoll zusammen, das allen Beteiligten dabei helfen sollte, sich die verschiedenen Teile der Choreografie zu merken. Während ich dieses Protokoll erstellte, realisierte ich, dass eine Reihe von Aufstellungsplänen für die Chormitglieder viel verständlicher wären und von allen als Gedankenstütze verwendet werden könnten. Ich zeichnete also für jede Szene einen Aufstellungsplan und passte diese Pläne immer wieder an, bis sie schliesslich der finalen Version unseres Auftritts entsprachen.

Aufstellungspläne

Leider ist es aus Datenschutzgründen nicht möglich, das gesamte Protokoll zu publizieren. In der nachfolgenden Galerie sind die Aufstellungsskizzen in der Reihenfolge innerhalb des Konzerts aufgelistet und mit dem jeweiligen dazugehörigen Satz des Werkes versehen.

Wer sich während dem Anschauen vorstellen möchte, wie sich unsere Proben und Auftritte angehört haben, findet hier einen Link zur Carmina Burana auf Youtube.

(mou)

Die Idee:

Wie oben bereits beschrieben, ist meine Aufgabe in dieser Produktion aus dem Moment entstanden. Meine Mitwirkung war also nicht geplant, jedoch hat es mir Freude gemacht mithelfen zu können. Zugegebenermassen war meine Funktion in der gesamten riesigen Produktion marginal, aber dennoch hörte ich von zahlreichen Mitsängerinnen und Mitsängern, dass die Zeichnungen und das Protokoll für die Orientierung im Stück sehr hilfreich waren.

Die Umsetzung:

Anhand von Handyfotos (iPhone 8) aus der Intensivprobewoche und meinen Notizen und Erinnerungen zeichnete ich jeden Abend nach der Probe, neue Versionen der Aufstellungspläne, verfasste das Protokoll neu und sendete es an die beteiligten Sängerinnen und Sänger. Die hier publizierte Version ist die finale Version, so wie das Konzert schliesslich aufgeführt wurde. Für die Zeichnungen verwendete ich Procreate auf meinem iPad Pro, für das Protokoll verwendete ich Word.

Die Learnings:

  • Doppelfunktionen sind nicht ganz ohne (selber singen, proben und dann noch alles dokumentieren)
  • Es ist überraschend, wie man mit den richtigen Tools und eigentlich sehr wenig Aufwand, die Kommunikation verbessern kann, sodass alle im Endeffekt vom gleichen sprechen.
  • Visualisieren macht alles einfacher.
  • Multimedia Production ist sehr vielfältig einsetzbar, auch im Alltag und an Orten, wo man dies zuerst nicht erwartet.