Ein Doku-Podcast entsteht

So long, Covid! ist mehr als ein Podcast – es ist ein journalistisches Langzeitprojekt über Long Covid, das mich im Laufe eines Semesters tief hineingezogen hat. Zwischen Recherche, Gestaltung und Interviews entstand aus einer ersten Anfrage eine Reise in ein komplexes Thema.

Worum gehts im Podcast?


“So long, Covid!” erzählt die Geschichten von Menschen, die an Long Covid erkrankt und wieder genesen sind. Was können wir von ihnen lernen? Ist die Situation von Betroffenen tatsächlich so aussichtslos, wie sie scheint? Wir machen uns auf Spurensuche und finden hoffnungsvolle Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft: Wir können Schmerzen und Symptome verlernen. Dieses Wissen ist jedoch wenig verbreitet und stösst auf Ablehnung. Warum eigentlich? Und was hat das alles mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung von psychischen Krankheiten zu tun? Plötzlich geht Long Covid uns alle etwas an. Wo entsteht Schmerz? Wie überwinden wir Angst? Was gibt uns Zuversicht? Diese neue Krankheit offenbart Missstände im Gesundheitssystem, lässt die Medizin und unsere Gesellschaft an Grenzen stossen und fordert unser Verständnis von (chronischen) Krankheiten heraus. 
Hör dir den Trailer unten an:


Der Podcast soll ein Doku-Podcast werden mit fünf Folgen, erzählt von Zita Bauer.
Zita kommt anfangs Jahr auf mich zu und fragt, ob ich als Recherche-Unterstützung mitarbeiten möchte. Wir kennen uns vom Radio, haben bereits einige Projekte zusammen realisiert – und das Thema Long Covid interessiert mich stark. Im Rahmen des Multimedia Production-Studiums sehe ich hier eine Gelegenheit, viel Gelerntes und für mich komplett Neues umzusetzen. Klar also, dass ich zusage.
Im Verlauf des Semesters arbeite ich zum Teil allein, zum Teil mit Zita und ihrem Partner Jann zusammen an dem Podcast: In Sitzungen, Recherche-Gesprächen und Mindmap Zeichnungs-Abenden.
Für das Digezz setze ich mit diesem Wissen einen Audio-Beitrag zum Thema «Pain Reprocessing Therapy» um, ein Behind-the-Scenes-Gesprächs-Podcast namens «Work in Progress», ein Podcast-Cover sowie das Layout für das Fundraising-Dossier.

Die ersten Anfänge der Recherche

Es ist ein grosses Projekt, die erste Folge soll im März 2026 erscheinen, am Long-Covid-Awareness-Day. Bis dahin braucht es jedoch noch einiges:, Musik und Komponist*innen, ein Skript, Dramaturgie, möglicherweise ein Medium, welches den Podcast veröffentlichen möchte, und natürlich: ganz viel Recherche und Interviews.

Zita und ich treffen uns im Verlauf des Semesters immer wieder zu Sitzungen, um den weiteren Ablauf zu besprechen: Wen können und wollen wir interviewen? Was wäre spannend und relevant zu recherchieren?

Das Thema ist gross: Es gibt verschiedene thematische Schwerpunkte, in die ich mich vertiefen könnte. Ich kämpfe mich durch Studien zu Long Covid, neuroplastischen Schmerzen, Zeitungsartikeln und Leser*innenkommentaren – in der Hoffnung, gängige Narrative zu erkennen. Ich versuche zu verstehen, was die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Forschung zu chronischem Schmerz sind und mache mich vertraut mit Begriffen wie «Mind-Body-Syndrom» und «Pain Reprocessing Therapy». Dabei versuche ich auch immer, auf dem neusten Stand zu bleiben: Ich lese Leitfäden für Hausärzt*innen über Long Covid und Newsletter von Betroffenenorganisationen (wie Sick Times). Auch auf grundsätzliche Fragen versuche ich Antworten zu finden: Was ist überhaupt eine Krankheit? Was ein Syndrom? Und wie ist Long Covid als Begriff und Diagnose überhaupt entstanden? (Spoiler: Der Begriff entstand durch einen Tweet von Elisa Perego, welche in der ersten Covid-Welle in Italien erkrankte)

Zita und ich erstellen ein Rechercheprotokoll und eine Liste potenzieller Interviewpartner*innen. Stand heute sind rund sechs Personen bereits angefragt worden und haben zugesagt. Während Zita und Jann die Dramaturgie der einzelnen Folgen, den Zeitplan, ein Budget und Fundraising-Dossier erarbeiten, recherchiere ich weiter.

Pain Reprocessing Therapy – Was ist das? Und vor allem: Wie klingt es?

Langsam kristallisiert sich heraus, dass mich vor allem der Therapieansatz der «Pain Reprocessing Therapy» interessiert. Dazu möchte ich ein Interview führen mit einem der einzigen zertifizierten Therapeuten in der Schweiz. Seine Praxis befindet sich per Zufall in Bern. Über Kontakte wissen wir: Er behandelt auch Long-Covid-Patient*innen.

Ich frage ihn also für ein Interview an – und er sagt sofort zu (auch wenn er Bedenken hat, dazu im Audio-Beitrag mehr). Für den Podcast wäre es gut, ihn als Therapeuten in «Szene» zu hören und diese «Pain Reprocessing Therapy» auch irgendwie hörbar zu machen. Dazu darf ich in einem späteren Schritt sogar eine Therapiesitzung aufnehmen – von ihm und einer Long-Covid-Patientin.Ich bereite also Recherche, Fragenkatalog und Lavalier-Mics vor – und aus dem rund zweistündigen Audio-Material des Interviews und der Therapiesitzung entsteht ein erster Beitrag über das Thema. Dieser Beitrag ist unten zu hören, geschnitten in Adobe Audition und animiert mit After Effects. Die Musik habe ich selber gemacht, mit dem Programm Beatwave und meinem elektrischen Schlagzeug.
Für den Podcast selber wird das Material dann nochmals selektioniert und überarbeitet. Der Beitrag ist eine Momentaufnahme der Arbeit an «So long, Covid!». Er hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Ausgewogenheit und wurde spezifisch für Digezz erarbeitet.

Bitte akzeptiere die statistik, Marketing Cookies um diesen Inhalt zu sehen.

Der Podcast erhält Form (und ein Cover)

Ein so grosses Projekt braucht auch eine Finanzierung: Denn für die Umsetzung braucht es noch einiges – von Storytelling-Beratung über Komponist*innen, Technik und ganz viel Recherche. Das alles braucht Zeit und Geld. Deshalb wird ein Fundraising-Dossier ausgearbeitet. Dazu braucht der Podcast auch ein Cover-Bild, und der ganze Text muss ansprechend und lesbar gelayoutet werden.Ich beginne erste Cover-Vorschläge auf Papier zu skizzieren und entscheide mich für den Taschentuch-Abschied, welcher mit dem Podcast-Namen gut zusammenpasst: «So long!» – und das Taschentuch steht auch symbolisch für Krankheit. In einer Bildrecherche versuche ich ein Gespür dafür zu entwickeln, was ein gutes Podcast-Cover ausmachen könnte. Ich schaue mir hunderte Artikelfotos der New York Times, The New Yorker, Republik, The Atlantic und Die Zeit an, und mache mich auch auf die Suche nach den besten Podcast-Covern und versuche dabei, möglichst «auf dem Boden» zu bleiben mit meinen doch begrenzten Grafik-Skills.

Die Bildrecherche

Als erstes entscheide ich mich für eine Serifenschrift: Diese soll zum Schwarzweiss-Foto passen. Zusammen mit der Farbe Blau strahlt es Seriosität aus.
Das Covid-19-Virus wird in der entsprechenden Bildrecherche auf ganz viele Arten dargestellt: von stark realistisch in 3D-Grafiken bis zu minimalistischen Linien und Punkten. In Adobe Illustrator beginne ich eine Form zu entwickeln, welche sofort erkennbar sein soll. Das Cover vervollständige ich dann in Photoshop und bereite drei Versionen vor, die ich vorschlage.

Ein Design, das nach «Finanziert uns!» schreit – oder: Wie gestalte ich ein Fundraising-Dossier??

Das Ende des Semesters rückt näher und die Fundraising-Deadlines ebenso. Dazu braucht das Dossier ein ansprechendes Layout. Zwar ist das Podcast-Cover schon irgendwie etabliert, doch für ein Fundraising ist es dann doch zu aufgeregt. Ich entwickle neue Cover-Vorschläge und teste verschiedene Typografien aus. Diese schlage ich Zita und Jann vor, und wir entscheiden uns für den dritten Vorschlag. Dann geht es ans komplette Layouten in InDesign.

Cover Vorschläge und Typo-Tests


Auf den Bildern sieht man eine «geschwärzte» Version mit Fülltext: Das Original ist nicht für die Veröffentlichung gedacht, sondern nur für die entsprechenden Institutionen, welche für das Fundraising angefragt werden sollen. Jedoch erkennt man am Inhaltsverzeichnis, dem Zeitplan und der grossen Menge an Text, wie inhaltsreich das Dossier ist. Hier clicken um es als PDF zu betrachten.

Work in Progress: Der Podcast im Podcast

Da es mein erstes solch grosses Projekt ist, an dem ich mitarbeite, recherchiere ich viel und tausche mich regelmässig mit Zita aus. Irgendwann während des Semesters entwickle ich den Wunsch, diesen ganzen Prozess irgendwie festzuhalten. Ich bin ein Mensch, der gerne und gut verarbeitet, indem ich mit anderen Menschen darüber reflektiere und spreche. Dies mache ich in den Sitzungen mit Zita schon sehr stark – und ich finde unsere Gespräche immer sehr erhellend. Weshalb also nicht in Behind-the-Scenes-Manier ein Gesprächs-Podcast starten, welcher genau das bieten könnte: ein Raum, in dem wir den Prozess für ein solches Projekt sichtbar machen könnten, über den bisherigen Stand reflektieren und nebenbei auch für Interessierte des Podcasts Einblicke schaffen können?

Ich frage Zita, ob sie mitmachen will – und wir nehmen schon bald unsere erste Folge auf. Das Konzept für die erste Folge bereite ich vor und briefe Zita am Aufnahmetag selber. Ich lege den roten Faden für das Gespräch stichwortartig aus, sodass wir möglichst ungescriptet sprechen, jedoch die Themenblöcke nicht aus dem Blick verlieren.

Am Schluss schneide ich das einstündige Gespräch auf rund dreiviertel Stunden runter und gestalte mit meinem mittlerweile etwas vertrauteren Freund «Beatwave» ein kleines Intro und Outro.

Wenn du also einen Einblick in einen journalistischen Doku-Podcast haben möchtest, dann kannst du dir die erste Folge von «Work in Progress» hier unten anhören.


Darin erfährst du, wie es überhaupt zu «So long, Covid!» kam. Du hörst ein bisschen mehr darüber, wer Zita und ich sind, wo das Projekt nun genau steht und welche Ziele wir uns vorgenommen haben. Warum ich am Anfang so Widerstände hatte – und wie viel administrative Arbeit eigentlich hinter einem solchen Podcast steckt!

Bitte akzeptiere die statistik, Marketing Cookies um diesen Inhalt zu sehen.

(abb)

Die Arbeit an diesem Projekt hat mir viel gegeben: Ich durfte in diesem Semester extrem viel Wissen ansammeln zum Thema Long Covid, chronischen Krankheiten, Neuroplastischen Schmerzen und und und. Mich in ein Thema vertieft reinzugeben und ausgiebig zu recherchieren, ist etwas was mir sehr liegt. Gleichzeitig habe ich auch die starke Tendenz mich einfach in allem etwas zu verlieren.

Bis ich herausfand wo der Fokus meiner Recherche liegt, wen ich interviewen möchte und dass ich auch grafisch an dem Podcast mitarbeiten könnte, vergingen einige wertvolle Wochen: Doch in der Zeit davor habe ich mich im Austausch mit Zita und Jann immer wieder mehr und mehr klare Linien gezeigt. Und immer wieder kamen während dem Semester gute Neuigkeiten zum Projektverlauf rein, ie Zusagen von Interviewpartner*innen oder von Komponisten und anderer externer Unterstützung. Das gab Aufwind.

Des Weiteren habe ich mir extrem viel neues Wissen in verschiedenen Programmen aneignen können: Mit Illustrator habe ich quasi noch nie gearbeitet. Ein Layout für so ein grosses Dokument musste ich auch noch nie machen und ein Podcast-Cover schon gar nicht. Adobe Audition hatte ich bis anhin noch nie geöffnet und etwas schmerzhaft verabschiedete ich mich von Audacity. In Audition bin ich ganz schön auf die Nase geflogen und musste den ersten Rohschnitt des Interviews nochmals von vorne beginnen. Und auch die Musik mit Beatwave zu erstellen war ein absolutes Novum für mich. Ich spiele selber nur Schlagzeug und von Melodien komponieren verstand (und verstehe) ich herzlich wenig: Umso schwerer war es auch herauszufinden, was von der Tonalität überhaupt passend und angebracht wäre für den Beitrag. Gelöst habe ich es dann zum Teil mit ein paar Schlagzeug-Einspielern, welche ich auf meinem elektrischen Schlagzeug eingespielt habe und dann weiter bearbeitete.

Für die Interview-Führung eines Storytelling Podcasts gelten andere Massstäbe als für journalistische Kurzbeiträge. Eine grosse Hilfe während des ganzen Prozesses war das Buch von Sven Preger: «Geschichten Erzählen: Storytelling für Radio und Podcast», welches ich auf Empfehlung von Zita las. Dort erfuhr ich beispielsweise wie ein Interview aufgebaut wird, welches sich nicht thematisch strukturiert, sondern nach «Clustern». Dieses sogenannte Cluster-Interview wendete ich bei meinem Interview über mit demPain Reprocessing Therapeuten an. So versuchte ich ihn beispielsweise in eine “Erzählende Haltung” zu bekommen. Das war sehr schwierigund ich kann nicht so ganz beurteilen wie gut es mir gelang. Ein guter Moment war bestimmt der «Save the Cat»- Moment (ein Begriff aus dem Film-Business), welcher Sven Preger in seinem Kapitel zu Charakter Building beschreibt: Wenn eine neue Person eingeführt wird, dann sollte es einen Moment geben, bei dem die Zuhörenden die Person spüren (und bestenfalls sympathisch finden). Diesen Moment habe ich beispielsweise gleich als Intro-Quote für meinen Beitrag angewendet. Auch in der Vorbereitung versuchte ich nach Sven Pregers erweiterten Erzählsatz, eine klareren «Aussagewunsch» für das Interview zu formulieren und dieses Kapitel des Buches auch gleich anzuwenden. Oder bewusst Musik einzusetzen, um gewisse Übergänge für die Zuhörenden (wie Szenenwechsel) verständlicher zu gestalten.

Mit dem Audio-Equipment tat ich mich schwer: Aus dem Radio kannte ich einfach mein kleines Aufnahmegerät (Field Recorder) oder unser Radio-Studio: Hier kam ich mit Lavalier und mehreren Tonspuren, sowie dem Podcast-Studio nicht so ganz zu recht. Natürlich funktionierte dann am eigentlichen Aufnahmetermin, trotz vielem Testen, nicht alles. Die Audioqualität der Therapie-Sitzung ist deshalb für mich leider immer noch schmerzhaft rauschend und schlecht. Auch im Podcast-Studio hatte ich mit viel zu grossen Files (8GB für eine Stunde Aufnahme) und ständigem Rauschen zu kämpfen. Dies liess sich zum Glück im Post einigermassen gut beheben.

Die Rolle als «Host» eines Podcast gefiel mir sehr gut und machte Spass. Es war eine ganz andere Erfahrung, als Beiträge für eine Radio-Sendung zu gestalten: So völlig ungescripted sprechen mit einer Freundin war ebenfalls ein Novum. Zita war eine sehr dankbare Gesprächspartnerin,as natürlich half. Sie hatte auf jede noch so verschachtelte und so halb gestellte Frage eine gute Antwort bereit und ich konnte viel von ihrer Erfahrung mitnehmen im ganzen (bisherigen) Projek- Verlauf. Denn Stand heute: Werde ich weiter mitarbeiten.

Fazit:
Auch wenn es für mich manchmal anstrengend war, ein so grosses Thema irgendwie doch immer im Hinterkopf zu tragen und fast täglich irgendwelche Artikel zum Thema Longcovid zu lesen: Ist es für mich unglaublich erfüllend bei einem so wichtigen Thema dabei zu sein. Es gibt mir viel zu wissen, dass meine Arbeit zu einem Projekt beiträgt, das hoffentlich in einem Jahr einen Hoffnung spendender und spannenden Beitrag für alle sein kann. Und ich bin sehr dankbar schon jetzt in meinem Studium die Möglichkeit erhalten zu haben, journalistisch und grafisch so eigenbestimmt aber doch nicht alleine mitzuwirken und auch meine ganz eigenen Ideen daraus um zu setzen. Gleichzeitig war es für mich immer wieder quälend mit Deadlines umzugehen und auf Ende des Semesters einen für sich alleinstehenden Beitrag zu produzieren. Ich habe klar den Anspruch, den Interviewpartner*innen auch gerecht zu werden, die mir so viel Vertrauen und Zeit entgegengebracht haben. Ich ging durch viele Schlaufen des immer wieder Revidierens, Skript umschreiben, nochmals einsprechen, neu schneiden, nur um es dann nochmals umzustellen. Trotzdem musste ich beim Endergebnis Abstriche machen: Meinen eigenen Kapazitäten zuliebe. Deshalb schrieb ich mir meine eingesetzte Zeit auch akribisch auf, um mich nicht zu stark einfach in allem zu verlieren. Dies half enorm, um meine Perfektionismus und «einfach alles wissen wollen»- Tendenzen etwas im Zaum zu halten.