Dritte Orte im digitalen Zeitalter: Eine qualitative Untersuchung zur Wechselwirkung von Instagram und physischen Begegnungsräumen in Zürich

Wie verändert Instagram unsere Beziehung zu realen Orten? Diese Bachelorarbeit geht der Frage nach, wie junge Erwachsene in Zürich physische dritte Orte erleben – und wie diese auf Instagram dargestellt und gedeutet werden.
Ausgangspunkt ist das Konzept des „dritten Ortes“ nach Ray Oldenburg (1989). Gemeint sind Orte, die weder dem privaten Zuhause (erster Ort) noch der Arbeit (zweiter Ort) zugeordnet sind – sondern Räume, in denen soziale Interaktion, Zugehörigkeit und informeller Austausch stattfinden. In urbanen Kontexten erfüllen sie eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Sie stiften Gemeinschaft und machen Städte lebendig.
Die Arbeit untersucht, wie solche Orte heute im Alltag junger Menschen genutzt, empfunden und vermittelt werden – und welche Rolle Instagram dabei spielt. Soziale Medien wie Instagram prägen nicht nur die Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Orten, sondern tragen auch dazu bei, dass bestimmte Orte mit Bedeutung aufgeladen, ästhetisch gerahmt oder symbolisch umgedeutet werden. Im Zentrum der Arbeit steht daher die Frage, ob Instagram reale dritte Orte beeinflusst, verändert oder gar ersetzt – und ob die Plattform selbst als digitaler dritter Ort verstanden werden kann.
Theoretisch verortet sich die Arbeit an der Schnittstelle von Raumsoziologie, Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie Alltagskulturforschung. Neben Oldenburgs Konzept werden Ansätze zu Plattformlogik, digitaler Öffentlichkeit, Raumaneignung und visueller Kommunikation berücksichtigt.
Methodisch kombiniert die Arbeit zwei Zugänge:
- Qualitative Interviews mit 10 jungen Erwachsenen aus Zürich (20–30 Jahre), die regelmässig sowohl physische dritte Orte aufsuchen als auch Instagram nutzen. Ziel war es, ihre subjektiven Bedeutungszuschreibungen, Nutzungspraktiken und Reflexionen zu erfassen.
- Visuelle Inhaltsanalyse ausgewählter Instagram-Posts aus dem Raum Zürich, die dritte Orte darstellen. Dabei wurden u. a. wiederkehrende Motive, Kompositionsmuster und begleitende Texte analysiert, um visuelle Inszenierungsstrategien herauszuarbeiten.
Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass Instagram die Beziehung zu physischen Orten auf vielfältige Weise mitprägt: als Plattform der Erinnerung, der sozialen Repräsentation, aber auch der Filterung und Auswahl. Orte werden sichtbar gemacht – oft aber auch idealisiert. Zugleich wird deutlich, dass Instagram für viele Nutzer:innen selbst eine Art „Ort“ ist: ein digitaler Raum, in dem Zugehörigkeit, Präsenz und Selbstverortung stattfinden.
ortsheimat – ein Lehrprojekt über Orte, die Heimat sind
Begleitend zur theoretischen und empirischen Forschung entstand das Lehrprojekt ortsheimat. Die Videoreihe porträtiert 3–4 junge Menschen aus Zürich und die Orte, die für sie persönlich bedeutsam sind – weil sie dort zur Ruhe kommen, Erinnerungen pflegen oder sich mit anderen verbunden fühlen.
Diese Orte liegen ausserhalb von Zuhause und Arbeit. Sie sind individuell, oft unspektakulär, manchmal verborgen – aber voller Bedeutung. Die kurzen Videos lassen die Personen selbst erzählen, was sie mit dem jeweiligen Ort verbindet. Die Erzählungen werden begleitet von ruhigen Bildkompositionen, Lo-fi-/Jazz-Sounddesign und einer klaren visuellen Sprache, die Nähe und Authentizität vermitteln soll.
Veröffentlicht wird ortsheimat auf Instagram. Das Projekt folgt einem bewusst gestalteten Format – mit einem abgestimmten Farb- und Schriftkonzept, einer festen Postingstruktur (Grid) sowie einer einheitlichen Tonalität. Ziel ist es, die emotionale Dimension von urbanen Orten sichtbar zu machen und einen neuen Blick auf scheinbar alltägliche Plätze zu eröffnen.
ortsheimat ergänzt die wissenschaftliche Auseinandersetzung durch eine erzählerische und künstlerische Perspektive. Es lädt dazu ein, die Stadt nicht nur als funktionalen Raum, sondern als sozialen und emotionalen Lebensraum wahrzunehmen – offline wie online.
Die Videos kann man auf dem Instagram-Account «ortsheimat» anschauen.