Dia-Show

Frühling


Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
»Er kam, er kam ja immer noch«,
Die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuss auf Schuss;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muss.

Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: »Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai.«

O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh':
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.
Theodor Fontane
(1851)

Frühling


O wie schnell bist du gekommen,
Hast die Welt du hingenommen,
Neuer Klang, und neuer Duft!
Alter, schöner Zeiten Mahnung,
Neuen Glückes holde Ahnung
Schwebt nun in der sanften Luft.

Welch ein Grünen nah und ferne,
Welche Fälle goldner Sterne,
Welch ein Blühn an Busch und Baum.'
Bienensummen in den Düften,
Lerchenklang aus hohen Lüften!
Und ich wandle wie im Traum

Schöne Tage, die entschwunden,
Ach, ihr holden Frühlingsstunden,
O, wie liegt ihr doch so weit!
Seid ihr ewig mir genommen?
Werdet ihr nicht wiederkommen
Nun in dieser goldnen Zeit?!

Heinrich Seidel
(1842 - 1906)