Spieglein Spieglein an der Wand, welches ist die beste Kamera im ganzen Land

Vor dieser Frage steht ein angehender Multimedia Produzent wahrscheinlich noch einige Male in seiner zukünftigen Karriere. Der technologische Fortschritt von diesen digitalen Bildfängern geht rasanter denn je, doch wieviel merkt davon überhaupt der Konsument? Ich liess 16 Kameras gegeneinander antreten. Die Resultate mögen einen vielleicht erstaunen. 

Hypothese

Kameras sind heute so gut wie noch nie. Die Hersteller haben bemerkt, dass eine Fotokamera nicht nur gute Fotos schiessen soll, sondern auch hochwertige Videofunktionalitäten gewünscht sind. Mit im Rennen sind aber sowohl professionelle Filmkameras, die auf bestmögliche Videoqualität getrimmt sind, als auch Fotokameras, die kaum Videofeatures bieten. Aus diesem Grund nehme ich an, dass in der ersten Runde die Abstimmungen sehr klar sein werden und je weiter wir in Richtung Finale gehen, desto weniger Unterschiede wird man bemerken. Meine persönlichen Erfahrungen zeigen aber, dass der Preis alleine noch nicht viel über die Bildqualität sagt, doch wir werden sehen.

Setting

Um die Bildqualität der Kameras möglichst auszureizen, wurde das Set für den Kamerasensor so schwierig wie möglich gestaltet. Helles Gegenlicht, direkter Lichteinfall von Lampen und dunkle Vordergründe, um den Dynamikumfang auszureizen und gut ausgeleuchtete Gesichter und einige Farbtupfer, um Hauttöne und Colorscience zu testen. Um das Bild auch etwas dynamisch zu gestalten, war die Kamera jeweils auf einem motorisierten Slider, der immer mit derselben Geschwindigkeit hin und her fuhr.

Workflow

Die Aufnahmen wurden direkt nach dem Dreh mit der Kamerabezeichnung gekennzeichnet. Die Bilder wurden entsprechend den Herstellerangaben für das optimale Bild in Blackmagic Davinci Resolve beabeitet. In den meisten Fällen entsprach dies einer Aufzeichnung im Log Farbprofil und der Anwendung eines Log zu Rec.709 Korrektur LUT. In einigen Fällen benötigte das Bild dann noch einige kleine Korrekturanpassungen. Der farbliche Charakter der Kamera wurde aber immer beibehalten.

Abstimmung

Jeweils zwei Kameras treten gegeneinander in einem oben/unten Splitscreen an. Die Aufnahmen wurden per Instagram Stories geteilt und per A/B Abstimmung wurde jeweils eine Kamera weitergewählt. Die Direktbegegnungen wurden so gewählt, um das Resultat so spannend wie möglich zu gestalten.

Hier die verwendeten Kameras und ihre Einstellungen

and the winner is?

Sony FS-5. Und dies sogar mit 65 Prozent der Stimmen gegenüber der Blackmagic Ursa mini pro. 

Auswertung

Das Resultat mag einen erstaunen. Die Sony FS-5 wurde noch kaum wegen ihrer ausserordentlichen Bildqualität gepriesen. Ihr Vorteil liegt hauptsächlich, dass sie den effizienten Workflow der Sony Camcordern mit einem grossen Sensor, wie man es aus den Systemkameras kennt, vereint. Schaut man hingegen das Bild der FS-5 auf einem grösseren Monitor und ohne Instagram Kompression an, enttäuscht sie ausserordentlich auf Grund des hohen Bildrauschens. Dies ist die Folge vom hohen Base-ISO im Slog-3 Profil von ISO 2000. Alle restlichen Kameras, die es bis ins Halbfinale geschafft haben, haben es auch absolut verdient. Sowohl die Ursa mini pro als auch die Sony a6500 lieferten selbst auf einem 27 Zoll 4k Monitor noch exzellente Bilder, ohne jegliche Artefakte. Erstaunlicherweise aber präferierten rund 22% das Bild von einem Samsung Galaxy Note 9, ein drei Jahre altes Smartphone, gegenüber einer 6’000 Franken teuren Kinokamera. Mit diesem Ergebnis soll niemand mit der Ausrede kommen, keine Kamera für die Umsetzung eines Films zu haben.

(ash)

Die Idee

Die Idee ein solches Kamera Shootout zu machen, kam mir als ich zum ersten Mal meine neue Kamera, die Blackmagic Ursa mini pro, in der Hand hielt. Ich schaute mir das Bild an und war einfach nur begeistert. Ich hatte so viel Gutes über die Bildqualität gehört und das war eine der ersten Kameras, die ihrem Hype auch gerecht wurde.

Dass meine Meinung diesbezüglich sehr vorbelastet war, war mir persönlich absolut klar. So kam ich auf die Idee in Form eines Blindtests mit Freunden und Bekannten, mein Gefühl zu bestätigen bzw. vielleicht auch zu widerlegen. Bei der Vorgehensweise liess ich mich sehr vom Youtuber Marques Brownlee inspirieren, der einen ähnlichen Test jährlich mit Smartphone Kameras durchführt.

Preproduction

Danach fing bei mir das Herumtelefonieren an, um eine möglichst breite Palette an Kameras zum Test zu organisieren. So bekam ich schliesslich 16 Kameras mit ganz verschiedenen Features zusammen. Wichtig war mir hier sowohl ein breites Spektrum an Kameras zur Verfügung zu haben, als auch die momentan sehr beliebten Modelle, wie die Sony A7III oder Blackmagic Pocket Cinema 4k zu haben.

Setdesign

Für den ersten Dreh durfte ich das Studio der Vadian Media GmbH benutzen. Da war Licht, Stative, einige Requisiten und nicht zu vergessen eine Kaffeemaschine zur freien Verfügung. Der Sitzungstisch im Studio eignete sich ideal als Set, da hier die Lichtsituation mit dem offenen Fenster im Hintergrund sehr herausfordernd für die Kameras war. Verschiedene Requisiten wurden dann zur Hand genommen, um das Bild noch etwa mehr zu gestalten und die Qualitäten der Kamera auszureizen.

Produktion

Wer jetzt denkt 16 mal eine Situation abzufilmen ist schnell erledigt, täuscht sich gewaltig. Genau wie ich, als ich in der Situation war. Jede Kamera musste auf die korrekten Einstellungen gesetzt werden. Diese Herstellerangaben für das beste Ergebnis mussten zuerst im Internet ausfindig gemacht werden und dann in einem mir teils völlig unbekannten Menu eingestellt werden. Damit wurde Unmengen an Zeit vergeudet und zeigte einmal mehr, wie wichtig es auf einem Filmset ist, seine eigene Kamera zu kennen und zu verstehen. Wurden die Einstellungen gesetzt, positionierte ich die Kamera auf dem immer gleichbleibenden motorisierten Slider und liess diesen mehrere Male hin und her fahren. Da ich nach der fünften Kamera einen Fehler im Weissabgleich entdeckte, durfte ich nochmals von vorne anfangen. Wichtig war dabei dann auch die schriftliche Dokumentierung aller aufgenommenen Dateien. Man will ja schlussendlich wissen, welche Kamera gewinnt.

 

Wann hat man schon 16 Kameras vor sich? Aus diesem Grund wollte ich auch noch sonstige Aufnahmen machen. Einen Effekt den ich mit meinem Slider schon immer mal probieren wollte, war dieser für den Introtrailer meiner Instagram Stories. Eine Kamerafahrt, bei der mittels Überblendungen jeweils immer eine Kamera dazu kam. Ich liess die Kamera über längere Zeit hin und her fahren und legte eine Kamera dazu. Im Schnitt wurden dann jede repetierte Fahrt zu einer Videospur, die in Form einer Treppe überlagert wurden.

 

Postproduktion

Am folgenden Tag wurden alle Bilder ausgewertet und bearbeitet. Benutz wurde hierfür Blackmagic Davinci Resolve, da es hauptsächlich um die Farbbearbeitung ging. Auch hier wurden die Herstellerangaben zu jeder Kamera herbei gezogen und mit ihrem Korrekturpreset wurde das flache Logprofil in einen standardmässigen Rec.709 Look verwandelt. Einige Kameras brauchten noch minime Anpassungen. In der ersten Runde wollte ich aber die Kameras möglichst neutral behalten und der eigene Charakter der Hersteller sollte noch zu spüren sein. Die weiteren Runden brauchten auf Grund der schwierigeren Lichtverhältnisse einiges mehr Aufwand, um auf einen neutralen und vergleichbaren Look der Kameras zu kommen. Ich probierte trotzdem mich hier immer nur auf die basic Tools (Kontrast, Schatten, Schwarzpunkt und Sättigung) zu beschränken. Es sollten schliesslich die Kameras bewertet werden und nicht meine Farbkorrektur Skills.

Publikation

Die aufbereiteten Bilder wurden dann auf Instagram gepostet und es wurde fleissig gevotet. Parallel zu Instagram, zeigte ich die Bilder auch noch einigen Bekannten und führte qualitative Interviews. Die Ergebnisse variierten teilweise extrem. Faktoren wie Detailauflösung und Bildrauschen waren für Instagram völlig irrelevant. Zudem konnte ich klar erkennen, wie Leute mit Kameraerfahrung, insbesondere MMP Studenten, vielmehr auf ein objektiv technisch gutes Bild achteten. Zudem bedeuteten einige kleine technische Fehler von meiner Seite, wie zB. ein Fokus, der nicht 100% passte oder ein minim überbelichtetes Bild, sofort das Aus für eine Kamera.

Fazit

Das Projekt wurde um einiges grösser, als ich es am Anfang geplant hatte, jedoch war mein persönlicher Lerneffekt riesig. Zwar nicht direkt im Bezug auf welche Kamera, die ich für mein nächstes Filmprojekt verwenden werden, jedoch vielmehr worauf es tatsächlich ankommt. Die Limitierungen einer günstigeren Kamera zu kennen ist oft vielmehr Wert, als eine teurere Kamera, die man dafür kaum versteht. Zudem gab mir dieses Projekt viel mehr Selbstvertrauen in einige vielleicht technisch nicht perfekte Aufnahmen. Ich weiss nicht wieviele Aufnahmen ich bereits weggeschmissen habe, weil ich dachte es sei überbelichtet oder verrauscht. Tatsache ist, dass solange der Inhalt die Story des Films weiterbringt, kommt ein nicht 100% technisch perfektes Bild absolut nicht drauf an. Selbst Handyaufnahmen können erstaunlich gut mit professionellen Videokameras mithalten. Wenn das nicht mal eine Ansage für die erstsemestrigen MMP Studenten ist.