von Nadia Etter, illustriert von Nora Pfund
Mich ergreift Panik und blanke Angst. Ich bin alleine im Ozean, um mich herum nur Wasser. Ich habe Todesangst. Meine Atmung ist schnell und oberflächlich, in meinem Kopf rast ein Horrorszenario dem anderen hinterher. Ob mich jemand sehen kann? Schnell drehe ich mein Brett, suche die nächste Düne am rettenden Strand und paddle direkt darauf los. Den kürzesten Weg, ich will sofort an Land. Nur raus aus dem Wasser.
Plötzlich, wie durch Geisterhand, erfasst mich ein klarer Gedanke. Was zum Teufel mache ich hier?! Ich bemerke, wie ich versuche gegen die Strömung anzupaddeln. Den grössten Fehler den ich in diesem Moment begehen kann.
Strömungen können bis zu durchschnittlich 6.7 Meter pro Sekunde zurücklegen. Der Weltspitzen-Schwimmer Michael Phelps schaffte bei einer Distanz 100 Meter 1.9 Meter pro Sekunde. Nein, auch Phelps hätte bei einer solchen entgegenkommenden Kraft keine Chance. Aus diesem Grund - Schwimm niemals gegen die Strömung. Es wird dein Niedergang sein.
Nochmals setze ich mich aufs Brett und mache mir einen Überblick über meine prekäre Situation. Ich spüre das reissende Wasser um meine Beine und das dahin treibende Brett. Dann erblicke ich die rettende Lösung. Die nächste Sandbank zu meiner Rechten. Über dieser Sandbank brechen andauernd Wellen, so werden diese mein Ticket zum Strand sein. Mit meinen letzten Kräften paddle ich, getrieben von Angst und Adrenalin, in diese Wasserwände hinein, um mit der Kraft des Ozeans an den Strand gespült zu werden.
Der weisse Sand knirscht leise unter meinen Füssen, er rinnt durch die Zehen, meine Fussspitze versinkt leicht in der warmen Masse. Der warme Wind schlägt mir ins Gesicht, der Geschmack von Salz erfüllt meinen ganzen Mund und brennt in meinen eingerissenen Lippen. Doch ich nehme nichts davon wahr. Mein Herz rast und ich zittere am ganzen Leib. Meine Muskeln ziehen sich zusammen und ich kriege Krämpfe in den Armen. Das Brett rutscht aus meinen schwachen Fingern in den weissen Sand. Ich lasse mich daneben zu Boden fallen, gönne meinen Körper Entspannung. Langsam greife ich in den Sand und fühle die Erde unter mir. Noch nie war ich so froh festen Boden unter mir zu fühlen. Ich bin unendlich dankbar und erleichtert. Mit geschlossenen Augen lausche ich den Wellen und dem Wind.
Da ist dieses Gefühl wieder - Glück. Mein Herz macht einen Sprung und ich beginne leise zu lachen. Pure Erleichterung. Und ich bin froh, passierte mir das, es lehrt mich Respekt gegenüber den Kräften der Natur und zeigt mir wozu ich fähig bin. Die Angst hat mir geholfen. Sie ist Teil meiner Leidenschaft. Schliesslich ist sie es, die mich an mein Ziel bringt.