Ein Selbstversuch:

Eine Woche ohne Handy und Internet


Von Nina Müller


Gründe für den Selbsttest und die Voraussetzungen



In einer Welt, in der das Internet und die Smartphones so eine zentrale Rolle spielen, hat es mich nun doch ganz schön Wunder genommen, inwiefern ein Leben ohne noch möglich ist. Deshalb habe ich eine Woche lang auf Internet und Handy verzichtet.

Ein Kriterium für mich war, dass der Versuch in einer Alltagswoche stattfinden soll. So konnte ich herausfinden, wo ich in meinem täglichen Leben an Grenzen stossen werde. Die Woche habe ich anhand eines Tagebuchs festgehalten.


Tag 1: Das Experiment beginnt!


Ok, eigentlich musste ich schon am Sonntag einige Sachen anders angehen. Zuerst einmal musste ich dafür sorgen, dass auch jeder Bescheid weiss. Dann der nächste Morgen; wie viele von euch nutze ich mein Handy als Wecker. Zum Glück hatte ich noch irgendwo meinen alten Wecker mit dem netten „PIIIIIIP PIIIIIP“ als Weckton. Nicht die angenehmste Art zu Erwachen aber ausreichend. Also dann, der erste Morgen; nach dem ich fünf Minuten lang im Halbschlaf nach meinen Handy getastet hatte, begriff ich, dass es ja jetzt los ging und stand auf. Mein erstes Ziel von diesem Tag war ein Coiffeurbesuch bei meiner Mitschülerin Andrea. Sie wohnt im Liechtenstein. Ich war noch nie bei ihr. Am Abend zuvor hatte sie mir die Adresse gegeben und kurz erklärt, wie ich sie finde. Optimistisch setzte ich mich ins Auto und fuhr ohne Navi los und ich fand das Haus auch so ganz gut. Mit der Zeitberechnung haperte es noch ein wenig (ich war zwanzig Minuten zu spät) aber immerhin hab ich das Haus im gefühlt grössten Nebel seit Jahrzehnten gefunden.

In der Schule ging es bis jetzt eigentlich auch ganz gut. Daten konnte ich über einen USB-Stick verschicken (Bsp.: Unsere Corporate Writing Lehrerin Petra Hasler bat uns, unseren Text per Mail an sie zu schicken. Ich: „Kann ich es Ihnen auch per Memory Stick geben?“ Bis auf einen überraschten Blick – kein Problem!). Den Rest vom Tag verlief auch ohne Probleme und ich empfand es sogar als angenehm, nicht ständig erreichbar zu sein.

Ich gehöre zu den Personen, die eigentlich nie mehr Fernsehen. Serien und Filme streame ich alle übers Internet. Folglich, war dies heute nicht möglich. Hab mich also zu meiner Mama vor den Fernseher gesetzt und es war ehrlich gesagt auch schön, wiedermal mit Mama zu Fernsehen.


Tag 2: Die Sache mit dem Festnetzanschluss



Heute Morgen ging ich mit meiner besten Freundin Frühstücken. Als ich an ihrer Tür klingelte, um zu Fragen ob sie da ist, wurde ich fast ein bisschen sentimental. War fast so wie früher als man von Haustür zu Haustür ging, klingelte und fragte: „Hallooo isch de *** do? Chunnt er use go spiele???“. Anschliessend setzte ich mich Zuhause hin um Schularbeiten zu erledigen. Dies begann mit Telefonaten übers Haustelefon mit zwei meiner Mitschüler. Wir brauchen dringend ein neues Telefon Zuhause! Beide hatte es zweimal aus der Leitung gehauen und meine Stimme wurde regelmässig von einem nicht sehr bezaubernden Rauschen unterbrochen.

Michael F. hat dann noch zwei weitere Anrufe erhalten. Ich musste ihm ein paar Infos über einen Animationsfilm geben, an dem ich gerade arbeitete. Eigentlich wäre es locker über Whats App gegangen, wegen meines Versuchs musste ich ihn aber jedes Mal anrufen.

An diesem Tag habe ich aber ein Problem gelöst, über das ich mir schon seit Jahren den Kopf zerbreche. Mein bester Freund ist ein absoluter Handymuffel. Er ist nie erreichbar, hat nie Geld drauf und vergisst regelmässig, dass er sich noch melden sollte. Am Sonntag hab ich noch mit ihm gechattet und er meinte er kommt am Dienstag vorbei. Ich glaubte ihm kein Wort und doch – tatsächlich! Um 20.00 Uhr stand er vor meiner Haustüre! Fazit: Wenn ich kein Handy habe, hält er also sein Wort!


Tag 3: Programmierungs - Unterricht ohne Internet



Langsam werden meine Mitschüler neugierig auf den Selbstversuch und Marco M. und Michael F. immer genervter. Die beiden Jungs mussten mir alle Daten von Moodle (interne Plattform der HTW Chur) und diverse Arbeiten, die wir zusammen erledigten per MemoryStick geben. Gott sei Dank sind mir die Zwei nicht wirklich böse und wie ihr später noch erfahren werdet, hatten sie auch ihren Spass an meinem Selbstversuch.

Am Nachmittag hatten wir dann das Fach „Interaktive Medien“. Erstaunlicherweise konnte ich den ganzen Unterricht ohne Internet mitmachen. Einmal jedoch kam ich an einen Punkt, da war ich mir nicht sicher ob das jetzt geht oder nicht. Thomas W. unterstützt Herrn Hofstetter während den Übungsstunden. Er wollte dann an meinem Notebook im Internet nach was suchen. Die Frage war, ob das in Ordnung geht oder nicht. Wir kamen zum Punkt, dass das nicht geht, weil ja sonst meine Dropbox und all die automatischen Updates etc. durchgeführt werden.


Tag 4: Zürich ist ein hartes Pflaster



Vier Tage ging es, bis ich an eine Grenze gestossen bin. Wir hatten heute die Ehre, einen Vortrag von Dominik Kaiser, Chef vom TV-Sender 3Plus, in Zürich besuchen zu dürfen. Ich fahre Auto, was in Zürich ja schon mit Navigationssystem ein riesen Spass ist. Ohne ist es noch ein bisschen witziger. Ich musste also um 10.00 Uhr an der Ausstellungsstrasse 60 sein. Den Weg habe ich mir am Sonntag in Kartenansicht per Printscreen besorgt. Ist ja nicht falsch, auf einer normalen Landkarte wäre die Ansicht dieselbe. Mein Freund wohnt gleich beim Bucheggplatz. Ich fuhr von da aus los. Den Bahnhof hab ich dann mit Bauchgefühl und „Karte“ gefunden. Nach weiteren zehn Minuten hatte ich dann auch mein Auto in einem total günstigen (ja, das ist ironisch gemeint) Parkhaus gleich beim Casino abgestellt. Mittlerweile war ich schon ziemlich knapp dran mit der Zeit, obwohl ich extra eine halbe Stunde zu früh losfuhr.


Meine "Landkarte":


Gut, los ging die Suche nach dieser Ausstellungsstrasse. Der erste Passant, denn ich anquatschte war leider Deutsche und wusste ungefähr so viel wie ich über Zürich (Ich bin in St. Margrethen (SG) wohnhaft – also Landkind!). Der Zweite fragte mich dann freundlich, ob ich mit dem Tram unterwegs sei. Mein Ziel sei mindestens noch zehn Minuten von hier entfernt. Immerhin wusste ich jetzt, welchen Weg ich nehmen musste. Ich rannte also durch den ganzen Bahnhof von Zürich, natürlich inklusive interessierter Blicke der anderen Passanten. Als ich dann einer meiner Mitschüler vor einem Gebäude stehen sah, fiel ich ihm vor Erleichterung gleich mal in die Arme und schaffte es so mit (nur) zehn Minuten Verspätung und ohne Navigationssystem doch noch, den Vortrag von Dominik Kaiser anzuhören. Marco und Michael amüsierte das Ganze köstlich und sie waren schon kurz davor Wetten abzuschliessen, wann ich denn nun am Vortrag erscheinen werde.

Ich hatte schon vor dem Selbstversuch so meine Probleme pünktlich zu sein, wenn ich von Zürich kam und das bereitete den Beiden stets eine enorme Freude. Am Abend musste ich mir nach dem Vortrag von Herrn Kaiser, dann doch zwei Folgen „Bachelor“ (meine Schwester nimmt die Sendung über Swisscom TV auf, hatte es also ohne „Bschisse“ nachschauen können) ansehen. Ich hätte gerne ein paar Informationen im Internet nachschauen wollen, welche uns Herr Kaiser gegeben hatte. An solchen Punkten hatte ich diese Woche schon oft auf Informationen verzichten müssen. Mal schnell Nachgucken geht eben zurzeit nicht. Naja, die Sendung war auch ohne zusätzliche Informationen äusserst unterhaltsam.


Tag 5: Ungeahnte Mauern



Der Tag fing super an, hatte nämlich tatsächlich noch Briefpost erhalten! Eine meiner drei Schwestern hatte mir eine Postkarte geschickt! Gut gelaunt startete ich also in einen wunderschönen Freitag (hatte keine Schule) und fuhr nach St. Gallen, um mein lang ersehntes Wacom im Digitec Shop abzuholen. „Hend Sie d Bstelligsnummere fum Mail debi?“, fragte der junge Verkäufer. Da ich ja meine Mails nicht abfragen konnte, leider nein. Er schaute mich ein wenig missmutig an, händigte mir nach diversen Personalangaben meinerseits mein Self-Christmas-Present dann aber aus.

Zuhause wollte ich es voller Freude installieren aber siehe da; „Bitte verbinden Sie Ihr Notebook mit dem Internet und fahren Sie mit der Installation fort“. Da ich jetzt bis Montag warten muss, bis ich mein Wacom nutzen kann, war meine Laune dann leider doch ein wenig betrübter als am Anfang des Tages. Ein weiteres Problem ist mir auch mit der Nutzung des Haustelefons aufgefallen. Ich hatte diese Woche schon mindestens drei nette Gespräche mit Menschen von Frankreich, Deutschland und weiss Gott von wo, über irgendwelche Produkte (Meine persönliche Favoritenaussage: „Wie Sie vielleicht wissen, steht ja Weihnachten vor der Tür!“) gesprochen, die ich nie brauchen werde. Ich musste ja jeden Anruf entgegen nehmen, ich konnte nie wissen, wer mich versuchte zu erreichen, da wir noch eine Analogverbindung haben.


Tag 6: Alles kein Problem!



Heute musste ich arbeiten gehen. Um ein bisschen Geld neben dem Studium zu verdienen, helfe ich in einer Bar in Altstätten aus. Da wir in der Bar keinen Festnetzanschluss haben, war ich ziemlich auf mich alleine gestellt, falls etwas passieren würde. Ging bis auf die Abrechnung problemlos. Diese musste ich dann ohne meinen Handytaschenrechner im Kopf ausrechnen. Den anschliessenden Tag verbrachte ich ohne weitere Probleme wunderbar ohne Internet.


Tag 7: Der Endspurt



So, der letzte Tag war angebrochen und ich wusste nicht so richtig, ob ich froh sein sollte oder es bedauern wollte. Auch dieser Tag verlief ohne Komplikationen. Ich besuchte am Nachmittag den Klausmarkt in St. Margrethen und anstatt wie sonst per Whats App zu fragen, wo wer ist, bin ich einfach durch den ganzen Markt gelaufen und habe so meine Bekannten betroffen. Dadurch kam ich mit viel mehr Personen ins Gespräch, als wenn ich mich spezifisch mit Einigen getroffen hätten.

Spannend war, dass mich die verschiedensten Leute vom Dorf auf das Projekt ansprachen.Die Meisten hatten per Facebook Wind davon bekommen, was ja auch wieder zeigt, wie viele Leute unsere Beiträge lesen und wie wenig uns das eigentlich bewusst ist.


Mein Fazit über die Woche



Den Hauptschluss, welchen ich aus meinem Versuch gezogen habe ist, dass ICH ohne Probleme eine Woche oder länger ohne Internet und Handy aushalten kann. Meine Mitmenschen hatten viel das grössere Problem damit. Ich war nicht erreichbar, musste mich immer an andere Mitschüler wenden, wenn ich etwas vom Internet brauchte (Dateien von Lehrern zum Beispiel) – ich kann mir gut vorstellen, dass das mit der Zeit nervig war. Die Gesellschaft zwingt uns schon ein bisschen zur Internet- und Handynutzung.

Ein weiterer Aspekt war, dass ich mich anders organisieren musste als sonst. Jeder musste schon viel früher informiert werden, ich konnte nicht noch schnell was fragen und war auch nicht ständig erreichbar. Dafür hielt sich dann auch jeder (wie erwähnt, sogar mein chaotischer bester Freund) an die Treffen und sonstigen Abmachungen. Was ich als sehr besonders empfand, war dass ich anders geträumt habe als sonst. Die Träume waren viel intensiver und ich schlief sehr unruhig. Ich hätte nicht gedacht, dass der Versuch auf solche Bereiche Einfluss haben wird.

Es war aber im Grossen und Ganzen ein sehr angenehmer Selbstversuch, man ist deutlich entspannter wenn nicht der ständige, unbewusste Druck da ist, aufs Handy zu schauen. Vor dem Versuch dachte ich, dass ich oft genervt sein werde, wenn ich eben nicht auf mein Handy schauen kann. Bis auf ein paar Momente (Zigarettenpause, Warten auf einen Freund) war aber das Gegenteil der Fall. Oft hörte ich während meines Versuchs den Satz: „Boah, das chönnti nie ey!“. Ich kann euch beruhigen, es ist halb so wild und versprochen; Facebook wird euch am Wenigstens fehlen!


Und zum Schluss noch...



Was in diesem Beitrag natürlich nicht fehlen darf, sind die Anzahl Meldungen, welche ich am Montag nach meinem Versuch auf dem Handy hatte. Einige haben sich auch einen Scherz erlaubt mit mir in dieser Zeit. Das möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten!

Copyright © Nina Müller 2014