von Laura Glanzmann, illustriert von Sebastian Hubacher
Zum Glück ist es hier angenehm frisch, in regelmässigen Abständen rieselt feiner Wasserstaub auf mich herunter. Ganz anders war es noch in Afrika. Stickig, trocken, staubig. Diese ewige Hitze hätte ich keinen Tag länger ausgehalten. Doch zum Glück ist Chicco gekommen und hat mich mitgenommen. Rein in die Kiste, ab in den Laster, weiter ins Flugzeug.
An diese lauten Getriebe musste ich mich erst gewöhnen, aber irgendwie war dann doch alles schneller vorbei als gedacht. Die Kiste war unter allen anderen gestapelt. Sie war im Flugzeug zugedeckt worden und wurde erst wieder abgedeckt als wir uns in einem weissen Raum befanden. Dass wir aus dem Flugzeug ausgeladen wurden, hatte ich gar nicht bemerkt. Ich wunderte mich über meinen Aufenthaltsort. Schon im Feld in Afrika hörte ich manche munkeln, dass unsere Enddestination ein Supermarkt sein soll. Die Arbeiter sollen mal darüber gesprochen haben. Doch was ist denn ein „Supermarkt“?
Bald schon lernte ich, dass in einen Supermarkt nur die schönsten und besten Früchte hindürfen. Dort warten sie voller Hoffnung auf den Tag der Rettung – den Tag, an dem sie von grossen Händen aufgenommen, von Auge begutachtet und anschliessend in diesen grossen, metallenen Korb auf Rädern mitgenommen werden.
Vier Tage sind seit meiner Ankunft, in einem solchen Supermarkt, vergangen. Der weisse Raum meiner Ankunft nennt sich Kühlhaus; haben mir die schon länger anwesenden Supermarktbewohner mitgeteilt. Hier im Regal ist mir jedoch wohler. Nicht allzu kalt und trotzdem angenehm frisch. Diese vergangenen Tage waren aufregend. Jedes Mal bei Ladenöffnung strömen enorm viele Leute herein. Einige sieht man nur ganz kurz vorbeiziehen, andere kehren immer wieder in unsere Abteilung zurück. Jedes Mal, wenn sich eine Hand nach mir oder meinen Nachbarn ausstreckte, begannen meine Kerne zu pochen. Und doch – nach Tag vier – noch immer hatte ich kein Glück mit eingepackt zu werden. Was uns dort ausserhalb vom Supermarkt erwartet, weiss niemand. Es versprach Glück, Freude und eine rosige Zukunft. Manchmal kommen kleinere Menschen, wie ich sie noch nicht gesehen habe. Sie können sich nicht mal richtig ausdrücken oder gehen. Dann kommen sie näher und wollen uns mit ihren dreckigen, kleinen Händen anfassen. Mich schaudert es jedes Mal wenn sie schon nur auf uns zu gerannt kommen. Ein besonderes Ritual, das mir auffällt, war, dass immer wieder Leute mich und die anderen abklopfen. So richtig hart mit ihrem Finger auf uns draufpochen. Davon bekommen wir richtige Beulen. Doch einige wurden nach dem klopfen eingepackt – vielleicht hat es also seinen Sinn?