von Laura Glanzmann, illustriert von Nora Pfund
Tropf. Tropf. Tropf. Langsam lösen sich immer wieder Tropfen vom Teller und landen auf dem Tisch. Unter der Wassermelone hat sich eine kleine Saftlache gebildet und weil der Tisch schräg steht, tropfts nun. Sinad sitzt auf dem Stuhl vor der grün-roten Frucht, unfähig sich zu bewegen. Das Einzige, was er wahrnimmt, sind die Tropfen vor ihm auf dem Tisch. Melonen mochte sie immer, dachte er. Besser als jedes Eis schmeckte es ihr im Sommer. Egal ob frisch vom Feld oder schon als Purée verarbeitet. Heute hatte er es doch angehen wollen, heute wollte auch er wieder mal Melone essen. Doch in ihm – nichts. Eine Träne lief ihm über die Wange, er schluchzte nicht. So oft hat er schon geweint, so oft hat ihm das nichts gebracht. Der Schmerz ist einer Leere gewichen, wie er sich es nie hätte vorstellen können. Sein Leben war zuvor anders: Es war bunt, bewegt, immer neu, immer anders. Früher hatte er mit Melida getanzt bis sich die Wolken am morgen wieder rosa färbten. Das Tanzen: seine Leidenschaft – ihre Leidenschaft. Seine Tanzschuhe stehen verstaubt in der Ecke. Von seinem muskulösen Körper war nicht mehr viel übrig, eher dürr wäre er zu beschreiben. Heute wollte er Melonen essen. Etwas leichtes, süsses, dass ihm nicht aufliegen würde. Er konnte sich nicht überwinden seine Hand nach dieser saftigen Frucht auszustrecken. Vielleicht war es noch zu früh, zu viel erinnerte ihn in diesem Moment an seine geliebte Frau.
Plötzlich packte es ihn. Fertig mit weinen. Fertig mit dem Stillstand. Es muss etwas passieren. Hätte Melida das etwa gewollt? Wäre sie stundenlang vor einem beschissenen Teller Melonen gegessen und hätte um ihn getrauert?
Getrauert bestimmt, aber so? Er nahm seine Tanzschuhe aus der Ecke, blies den Staub weg und ging raus in die Welt – nur um sie wieder etwas bunter zu machen.