Multimediale Liebe

Kater

«Ig studiere Multimedia Production!», erwidert sie bloss, als Louie sie fragt, was sie denn so mache. Es war eine wilde Nacht im Club. Louie wacht alleine auf. In Gedanken sieht er ihr Lächeln wieder vor sich. Sie stellte sich ihm als Nadia vor. Vielmehr hat ihm der Rausch nicht gelassen. Sie faszinierte ihn vom ersten Moment an. An diesem Morgen ist für Louie klar: er will Nadia unbedingt wiedersehen. Leider hat er vergessen, sie nach ihrer Nummer zu fragen, geschweige denn sie auf Facebook, Snapchat, Instagram oder Google+ zu adden. Nach intensiver Social-Media-Recherche (Stalking), gibt Louie auf. Verzweifelt wälzt er sich im Bett und schließt nochmals die Augen.

Klassenzimmer

Ein Geistesblitz reisst Louie aus seinem Katerschlaf. «Berner Fachhochschule… Hallerstrasse!» Worte, die ihm trotz seinem frivolen Treiben im Gedächtnis geblieben sind. Hastig greift er nach seinem Smartphone. Dank Google Maps findet sich Louie bereits am Montag in den Gängen der Berner Fachhochschule wieder. Er möchte Nadia vor dem Klassenzimmer abfangen, doch der Unterricht hat bereits begonnen. «Scheisse!», flucht Louie und lehnt sich enttäuscht gegen die Wand. Nach 45 Minuten öffnet sich die Tür des Klassenzimmers. Der strenge Duft hart arbeitender Studenten schlägt ihm entgegen. Doch statt dem Mädchen seiner Träume schlendert ihm ein bärtiger Typ entgegen. Dieser quatscht Louie sogleich in dunkelblauem Züridütsch an: «Bisch du dä wo chunnt cho schnuppere?» Der überrumpelte Louie nickt bloss, als der Multimedia Production Student nach einem kurzen Stop an ihm vorbei rauscht. Beinahe am Ende des Ganges angelangt, dreht Dennis sich abrupt um:

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Vertrieben

Louie folgt Dennis zögerlich auf die Dachterasse. Er hört Dennis mit aufgesetztem Interesse zu. Sie stehen draußen in der Kälte. Um seine Maskerade des «Interessierten» zu wahren, stellt er viele Fragen. Mit den Antworten kann er nicht viel anfangen. Er traut sich nicht nach Nadia zu fragen. Plötzlich öffnet sich die Tür und ein gross gewachsener junger Mann läuft auf die Raucher zu.

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Remos Erscheinen unterbricht den Vortrag von Dennis, wieso es sich bei Phantomspeisung nicht um das Füttern eines Gespenstes handelt, sondern vielmehr um die Stromzufuhr eines Mikrophons. «Es bleiben nur noch zwei Minuten Pause», sagt Remo und zündet sich hastig eine Zigarette an. «Perfekt», denkt Louie, der es nicht erwarten kann, endlich Nadia zu treffen.

Filme

Noch im Türrahmen stehend scannt Louie das Klassenzimmer. «Mist, sie scheint nicht hier zu sein». Ob das vielleicht die falsche Klasse ist? Da das Stehen auf der Schwelle immer peinlicher wird, sucht sich Louie schnell einen Sitzplatz. So schön es in der hintersten Reihe auch wäre, setzt sich Louie tapfer neben eine Studentin in die zweite Reihe. Da die Mädchenquote in den vorderen Reihen höher ist, ist die Chance auf Nadia zu treffen hier grösser. Kaum hat Louie Platz genommen, strömt ihm sogleich ein erfrischender Schwall Baseldütsch entgegen.

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Anstatt ihm zu erzählen wo Nadia ist, erzählt die Brunette noch mehr über den Alltag als Multimedia Producer. «Lueg das hemmer gmacht womer z’Berlin gsi sind.», erzählt Leslie mit leuchtenden Augen. Louie, der eigentlich andere Absichten hat als sich einen Film anzusehen, richtet seinen Blick widerwillig auf Leslie’s Laptop.

«Kei Angst, mir hen nid nume Party gmacht in Berlin! Lueg, dä Film isch in unserer Projektwuche entstande!»

Endlich!

Endlich ist der Film fertig. Louie blickt sich verstohlen nach Nadia um. Der Raum ist mittlerweile voller geworden. Es wirken alle sehr beschäftigt. An der Front werden mit Präzision digitale Notizen in die MacBooks gemeißelt, während in der hinteren Sektion, leicht zu laut, scheinbar hochbrisante Themen besprochen werden. Auf einmal greift jemand nach Louies Schulter.

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Anina möchte nach zwei Stunden intensiver Programmierarbeit auf ihren Platz zurück. Erschöpft durch wilde Javascript Kapriolen bedankt sie sich bei Louie, der den gestohlenen Platz freigibt.

Er setzt sich eine Reihe nach hinten, vielleicht bringt der Platz ja mehr Glück.

What?

Der Unterricht endet, die Studenten strömen aus dem Zimmer. Niedergeschlagen verbleibt Louie als Letzter im Klassenzimmer. «Schade, dass ich Nadia nicht gefunden habe», seufzt Louie und nimmt seine Jacke. Kurz vor der Tür hält er inne und wirft einen Blick zurück ins leere Zimmer. Vor ihm erstreckt sich ein Chaos aus Laptops, Ladekabeln und zerrissenen Sandwichverpackungen. Enttäuscht atmet Louie aus und verlässt das trostlose Zimmer mit schnellen Schritten. Im Gang, kurz vor dem Lift, erstarrt Louie. Plötzlich steht sie vor ihm. Sein Herz setzt einen Schlag aus. Endlich! auf diesen Moment hat er so lange gewartet. Mit offenem Mund starrt er sie an. Ausgerechnet jetzt fällt ihm nichts, aber auch gar nichts ein, was er sagen könnte. «Sag irgendwas Witziges, du Blödmann.», schimpft Louie mit sich selbst. Es scheint, als könnte er keinen klaren Gedanken fassen.«jetzt reiss dich zusammen, Louie!» Er räuspert sich und stammelt: «Weisch no am Fritig Obe z Biel?»

Nadia scheint sich nicht zu erinnern. Sie wirft Louie einen fragenden Blick zu.

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Louie spürt, wie ihm die Röte ins Gesicht schiesst. Er fragt sich, wo die nächste Brücke ist, von der er sich stürzen kann. Er möchte nur noch weg hier. Nadia kann sich nicht mal an ihn erinnern. Mit gesenktem Blick läuft er an ihr vorbei und drückt hektisch den Liftknopf. Mit einem hellen “Bing” öffnet sich die Lifttüre. Eine junge Frau steigt aus und läuft schnurstracks an ihm vorbei. “Sehe ich doppelt? Ich bin doch nicht mehr betrunken?! Nadia? Nadia? Nochmal eine Nadia?” Louie dreht sich mit offenem Mund um. Die beiden Mädchen begrüßen sich fröhlich: “Hi Schwesterherz, hab schon auf dich gewartet”. Da dämmert es Louie. Doch bevor er Nadia, die RICHTIGE Nadia, ansprechen kann, sind die Zwillinge schon wieder im Treppenhaus verschwunden. “Unglaublich!” er starrt den Mädchen verdattert nach.