Changement de Propriétaire

Drei banale Worte stehen am Schild am Eingang der Ranch. Die Filzstift-Schrift ist halb zerlaufen auf dem gewellten A4 Blatt. Drei Worte, die weitaus mehr Bedeutung tragen als mancher Roman. Eine Geschichte, die zu Ende gegangen ist. Fahre über die Bilder um die Vergangenheit zu wecken.

Jahr um Jahr fuhren wir um die letzte Kurve im südfranzösischen Vallon Pont d’Arc. Jahr um Jahr bedeutete der Anblick der Ranch und der Pferde im Unterstand die Ankunft im persönlichen Ferienparadies. Dieses Mal ist es anders. Das Gras hat die Flächen überwachsen. Die Unterstände der Pferde sind verlassen. Der Empfang ist mit Brettern verstellt. Hier ist schon eine Weile kein Hufschlag und lautstarkes Französisch mehr zu hören.

Fast 20 Jahre hat mich dieser Ort begleitet. Viel Zeit, viele Erinnerungen. Einige meiner ersten und schönsten Stunden auf dem Pferderücken haben hier begonnen. Vom verfressenen Shetland Pony zum Welsh Cob, vom Camargue Schimmel zur Araberstute. Mein erster Ferienjob war es, hier zwischen flauschigen Ponys, schwitzenden Touristen und grummelndem Chef, den Staub aus den Fellen der bis zu 20 Tieren zu bürsten.

Der Mann mochte kein einfacher sein. Stur wie der Esel, der vom Heu der Pferde frass und sich beim Striegeln zu den Pferden dazustellte. Der Franzose mit dem spanischen Namen, der die Franzosen nicht mochte. Mit gewiss mehr Ecken und Kanten, als Falten im wettergegerbten Gesicht. Der eigentlich nur sehr wenige Menschen mochte. Dafür Vierbeiner umso mehr.

Mit der Winston Slim im Mundwinkel und einem abgebrochenem Zweig in der Hand führte er seine Ausritte durch das Val d’Ibie. Stunden habe ich damit verbracht hinterher zu reiten. Kenne die Wege auswendig und fast besser als meinen Schulweg. Die Geräusche der Hufe im Sand, die Schatten zwischen den Weinreben, der Geruch der Tannenwälder und Rosmarinbüschen. Die Namen an den Briefkästen entlang des Weges. Wo die Hunde bellen und man deshalb die Zügel etwas enger fassen sollte.
Und nun ist da dieser Zettel, der mir sagt, dass das alles vorbei ist. Ich gehe also zu Fuss die Strecke entlang, die ich fast ausschliesslich vom Pferderücken aus kenne.

Der Weg ist gesäumt mit Erinnerungen. Die schönste Galoppstrecke, die Ecke, an der mein Vater vom Pferd fiel, die Passage durch das türkise Wasser, die der Araberhengst hasste, die Lichtung, wo die Pferde gerne grasten, der krumme Baum, an dem ich mir zig Male das Knie angeschlagen habe, obwohl von vorne jedes Mal der Ruf kam „Attention, la branche!“ Nur fehlt eben das schaukelnde Gefühl, der Geruch nach Leder und Pferdehaar, die Hufspuren im Sand, die geknickten Äste auf Schulterhöhe des Patrons, die abgefressenen Blätter links und rechts des Weges. All das exisitiert nun noch als Erinnerung. Sie seien hier zu Papier gebracht als Hommage an die vielen glücklichen Stunden und an einen Menschen mit einem grossen Herzen.
Ein Zeichen, dass auch die kleinen Dinge, sich tief in unsere Herzen und Erinnerungen graben können. Dass leere Orte nie ganz leer sind.